Heinermaedsche
ab.
Als sie eintrat, wurde sie von einem gleißendem Licht geblendet. Was war denn das? Konnte das sein? Neonröhren hingen in Reih und Glied von der Decke. Bestimmt 15 Kübel voller Pflanzen füllten den Raum. Sie kannte keine Pflanze, die so viel künstliches Licht brauchte. Doch sie musste zugeben, diese hier sahen prächtig aus. Aber in der Küche vor der südlichen Fensterfront ginge es ihnen bestimmt wesentlich besser.
Sie trug zwei der kleineren Kübel hinunter und entsorgte die restlichen Pflanzen im Garten auf dem Kompost. Mark sollte ihr bei Gelegenheit erklären, was er sich dabei gedacht hatte; ein Bad war doch kein Ort für Grünpflanzen. Die Grundzüge der Botanik würde sie ihm später einmal beibringen. Sie war mächtig stolz auf ihr Tagewerk.
Nach einem Blick auf die Uhr wusste sie, dass etwas Zeit blieb, einen Kuchen und einige Kekse zu zaubern. Jedes Mal, wenn ihre Freundinnen kamen, backte sie eine Kleinigkeit. Das trug zur Gemütlichkeit bei. Sie probierte ein neues Rezept aus: eine Erdbeer-Rhabarber-Biskuitrolle. Dazu backte sie, nach einem Rezept ihrer Mutter, einfache Butterkekse.
Die Pflanzen aus Marks Bad verströmten einen betörenden, leicht süßlichen Duft. Wenn sie so schmeckten, wie sie rochen, würden sie ihren Keksen ein köstliches Aroma verleihen. Sie schnitt einige Blätter und Blüten ab und mischte sie unter den Keksteig. Sie verschwendete keinen Gedanken daran, dass die Pflanzen giftig sein könnten.
Der Duft, der nach kurzer Zeit durch das ganze Haus zog, ließ ihr das Wasser im Munde zusammen laufen. Leider hatte Eva keine Ahnung, welche Pflanze sie in den Teig gemischt hatte. Hätte sie es gewusst, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, sie zu essen. Es waren Cannabispflanzen.
8
Punkt 16 Uhr klingelte es an Evas Haustür. Wenig später betraten Marianne, Ursula und Gerlinde das Haus. Die Damen waren seit vielen Jahren eng miteinander befreundet. Sie hatten sich im Golfclub kennengelernt. Nach einigen sehr amüsanten Nachmittagen hatten sie beschlossen, gemeinsam mit ihren Männern zu einer Gartenparty im Golfclub zu gehen.
Eva war damals ungeheuer aufgeregt gewesen. Es musste einfach alles passen. Sie kannte ihren Mann nur zu gut. An jeder ihrer Freundinnen hatte er etwas auszusetzen. Aber sie hatte die Hoffnung, das eine oder andere Männergespräch würde ihn bei Laune halten. Und siehe da, Eva sollte recht behalten. Die Männer verstanden sich auf Anhieb, sie unterhielten sich sofort über Themen wie Steuerlast, politische Veränderungen im Nahen Osten und in Europa, die Eurobonds oder berufliche Erfolge. Eva folgte den Gesprächen nur bedingt, meist verstand sie die Zusammenhänge nicht und war froh, dass sie sich mit ihren Freundinnen angeregt über die wirklich wichtigen Themen im Leben unterhalten konnte: Mode, Schmuck und Lifestyle.
Mittlerweile wollte sie die gemeinsamen Nachmittage mit ihren Freundinnen nicht mehr missen. Sie erzählten sich einfach alles. Die Zeit verflog wie im Flug, während sie sich über die neuesten Designer, die schönsten Urlaubsorte, die trendigste Mode und am liebsten über ihre Männer austauschten. So manches Detail wurde ausgiebig besprochen, ohne dass ein Mann es je erfahren hätte.
Eva freute sich sehr, als ihre Freundinnen die Halle betraten. Allesamt waren sie wohlhabende Damen mittleren Alters, die auf ein gepflegtes Äußeres den allergrößten Wert legten. Es war für Eva immer so entspannend, mit ihren Freundinnen zu plaudern. An diesem Tag hatte sie auch allen Grund, sich mit ihnen auszutauschen. Sie musste unbedingt einen Schlachtplan ausarbeiten, wie sie mit Hermann und seinen Eskapaden zukünftig umgehen sollte. Über den Tod der jungen Audrey wollte sie lieber kein Wort verlieren. Es stand bislang nichts in der Tagespresse, weshalb Eva vermutete, dass Audreys Leiche noch nicht gefunden worden war.
Alle Freundinnen hatten einen Beruf erlernt. Eva war Sekretärin in einer renommierten Anwaltskanzlei gewesen, ehe sie die Stelle zugunsten ihrer Familie aufgab. Das war kein unbekanntes Phänomen. Damals wie heute gab es viele junge Frauen, die wegen der Kinder einige Jahre zu Hause blieben. Und damals wie heute war es für eine Frau mit Kind unglaublich schwer, in ihren Beruf zurückzukehren. Sie selbst hatte es versucht, aber Absagen mit den unglaublichsten Begründungen erhalten.
Am Telefon teilte man ihr einmal völlig unverblümt mit, sie solle ihrem Kind eine gute Mutter und ihrem Mann eine gute Ehefrau sein
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