Heinermaedsche
und zu Hause bleiben. Sie war schockiert über diese Unverfrorenheit. Allerdings war eine solche Absage kein Einzelfall. Ein anderes Mal musste sie sich anhören, wenn sie so jung ein Kind hätte, würden sicher weitere folgen, weshalb sie ein zu großer Risikofaktor für die Firma sei. Na, vielen Dank auch. Sie beschloss nach diesen Fehlschlägen, ihren Fokus auf ihren Sohn und ihren Mann zu legen. Das gelang ihr in den letzten Jahren gut, fand sie.
Eva war die Einzige der vier, die sich keinen reichen Mann geangelt hatte, um gesellschaftlich aufzusteigen, sie liebte Hermann tatsächlich über alle Maße. Sie war nicht berechnend. Auch Marianne war anders als viele ihrer Bekannten. Sie hatte ihren Mann während des Studiums kennengelernt. Marianne hatte bei verschiedenen Arbeitsstellen hart gearbeitet, damit er in Ruhe zu seinen Vorlesung gehen und lernen konnte.
In einem waren sich die Freundinnen jedoch einig – den Wohlstand und das damit verbundene angenehme Leben genossen sie alle sehr. Sie fanden, es stünde ihnen nach all den Jahren einfach zu. Marianne war Kindergärtnerin und betreute ehrenamtlich einen kirchlichen Kindergarten. »Die Kinder geben mir so viel zurück«, sagte sie oft. Sie selbst hatte niemals das Glück, schwanger zu werden. Es gab eine Zeit, da bewahrten die Kinder sie vor einer drohenden Depression, später boten sie ihr einen Zufluchtsort vor den Launen ihres Mannes.
Gerlinde war Stewardess, dank ihres vorbildlichen Verhaltens gegenüber den Fluggästen, stieg sie schnell in die erste Klasse auf. Sie hatte ihren Mann auf einem Geschäftsflug über den Wolken kennengelernt. Gleich auf ihrem ersten Flug waren sie sich nähergekommen. Es war ein Skandal, aber Gerlinde sagte immer schulterzuckend: »Was soll’s. Es hat doch gehalten.«
Von Ursula wusste Eva, dass sie die Chefsekretärin ihres jetzigen Mannes gewesen war. Ihre Leistungen gingen jedoch über das gewöhnliche Anforderungsprofil einer Sekretärin hinaus. Ursula hatte es verstanden, alle jungen Damen im Büro so zu brüskieren, dass diese weinend auf die Toilette liefen. »Das sind alles nichtsnutzige Weinerlinge. Denen etwas zu erklären, hat eh keinen Sinn«, sagte sie mehrmals zu ihrem Chef. So stand sie stets als Einzige loyal hinter ihm – ihrem späteren Mann.
Mittlerweile ging sie nur sporadisch in ihre alte Wirkungsstätte. Alle Angestellten, meist die weiblichen, erstarrten dann vor Angst.
Anfangs glaubte Eva, dass es Ursula ungeheuren Spaß machte, einschüchternd aufzutreten, und dass sie das von Zeit zu Zeit einfach brauchte. In Wahrheit baute Ursula sich mit ihrem Verhalten einen Schutzwall um sich herum auf. Ein Bekannter brachte Ursulas Art einmal auf den Punkt: Sie habe ein Taktgefühl wie ein Presslufthammer und könne eine unangenehme Person sein, die ihre Kommentare zielgenau und verletzend formuliere. Das brachte ihr zwar keine Freunde ein, aber man wusste bei ihr genau, woran man war. Eva mochte ihre Art. Sie hatten schon so manchen Abend allein miteinander verbracht. Eva wusste als Einzige, dass Ursula unter ihrem Mann litt, weil er mit jeder seiner jungen Angestellten fremdging. Das war der Grund für ihre manchmal übertriebene Heftigkeit.
Ursula war dünn, hatte ein schmales Gesicht, einen brünetten Bob mit Pony, der gerade bis über die Augen reichte. Ihre suchenden Augen verliehen ihr eine etwas beunruhigende Aura.
Marianne war das genaue Gegenteil. Sie war ein richtiger Omatyp. Etwas rundlich mit freundlichen großen Augen und immer einem Lächeln im Gesicht. Ihre warmherzige Art machte sie zum Liebling aller. Ihre goldgerahmte Brille und die schönen goldblonden Haare rundeten das Bild ab.
Gerlinde hingegen war eher unscheinbar. Sie war zwar groß und schick gekleidet, aber sie neigte zu einem Buckel. Sie hielt sich ständig im Hintergrund auf. So war sie eine sehr angenehme Zeitgenossin. Nach außen war sie still, innerlich jedoch fast schon ein Filou, könnte man diesen Ausdruck für Frauen verwenden. Ihre heimliche Leidenschaft galt gut gebauten, sonnengebräunten jungen Männern. Sie lebte ihre Träume nur für sich im Verborgenen aus. Niemals hätte sie ihren Mann betrogen. Treue war für sie das höchste Gut.
Die Begrüßung fiel, wie immer, sehr herzlich aus. »Hallo, ihr Lieben«, rief Eva und umarmte jede ihrer drei Freundinnen.
»Du siehst wieder sehr gut aus«, schmeichelte Gerlinde.
»Ach, du brauchst dich nicht bei Eva einkratzen«, sagte Ursula. »Wir wissen alle, wie
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