Heinermaedsche
einige Tropfen des Gifts, das sie bei einem reichlich zwielichtigen Mann besorgt hatte.
Mit einem Tablett kehrte sie zu Chantalle zurück, reichte ihr den Tee und nippte an ihrer Tasse, um kein Misstrauen zu erwecken.
»Der hat aber einen eigenartigen Geschmack«, stelle Chantalle fest und verzog den Mund.
»Das ist ein ganz besonderer Earl Grey, die Lieblingsmarke von Herrn Fröhlich. Ich weiß, er erwartet von seiner Frau immer, dass sie den Tee mit ihm trinkt. Das ist ein festes Ritual in diesem Haushalt.« Wie konnte Eva nur so infam lügen? Langsam fand sie beinahe ein wenig Gefallen daran. Nein, eigentlich nicht, doch die Vorstellung, diese Person würde in IHRER Villa leben, auf IHREN Möbeln sitzen und in IHREM Bett schlafen, drehte ihr den Magen buchstäblich um. Es ging um ihr Leben, um ihren Stand in der Gesellschaft – Eva ließ sich nicht einfach so vertreiben.
»Sie sollten sich am besten gleich daran gewöhnen«, ergänzte Eva.
»Da haben Sie bestimmt recht, ich will Hermann den Gefallen tun.« Sie trank die ganze Tasse auf einmal aus.
Eine SMS, die auf Chantalles Handy einging, unterbrach die tödliche Idylle.
Eva gab vor, die Tassen abspülen zu wollen, und verließ schnell den Raum. Mit zitternden Händen nahm sie ihr Handy aus der Schublade und las den Text.
›Heute Abend um acht bei Tiziano’s. Ich habe einen Tisch reserviert. Zieh das kleine Schwarze an. Nichts drunter. H.‹
Dieser Mistkerl!
Das läutende Telefon löste ihre Starre. Sie musste an den Apparat gehen, obschon sie in dieser Situation mit niemandem, wirklich NIEMANDEM sprechen wollte.
Eva nahm das Gespräch in der Küche an. Hier konnte sie ungestört reden, ohne dass diese Unperson im Salon mithörte. Wehe dem Anrufer, wenn er kein dringendes Anliegen hatte, dachte Eva.
»Fröhlich.«
»Hallo, Eva, es tut mir leid. Ich habe gerade einen wichtigen Termin für heute Abend hereinbekommen. Ein Überseegespräch. Ich muss also leider länger bleiben«, säuselte Hermann mit trauriger Stimme.
»Du bist ein richtiger Workaholic. Du hast überhaupt keine Zeit mehr für mich. Alles dreht sich nur um dein Geschäft. Aber bitte, ich will dir nicht im Weg stehen. Vielleicht nimmst du dir am Wochenende mal ein bisschen Zeit für deine Ehefrau«, schmollte Eva bittersüß, während sie innerlich beinahe explodierte.
Verblüfft schnaufte Hermann: »Wie kannst du so etwas sagen? Nur weil ich so hart arbeite, kannst du dir all deine schönen Sachen kaufen. Sieh dir mal das Haus an. Deine Kleider und deinen Schmuck. Wenn es dir lieber ist, dass ich arbeitslos werde und wir in der Gosse leben, dann komm ich natürlich gerne sofort nach Hause.«
Eva plagte ein bisschen ihr schlechtes Gewissen. Das war allerdings gänzlich fehl am Platz, wie sie selbst wusste. »Du verstehst mich einfach nicht. Ich arbeite ebenfalls; ich koche, wasche, putze, kaufe ein und halte diese große Villa in Schuss. Und das mache ich ausgezeichnet. Das nennt sich Arbeitsteilung. Aber wie gesagt, ich wünsche dir viel Erfolg für deine Besprechung heute Abend. Bis bald.«
Sekunden später verkündete ihr Handy erneut eine eingehende SMS. Mit zittrigen Fingern öffnete sie die Nachricht, in der Chantalle fröhlich die Verabredung bestätigte. Wütend warf Eva die Schublade zu, steckte das Handy in ihre Hosentasche und stapfte in den Salon.
»Hermann kann im Moment nicht kommen. Er hat wohl einen wichtigen Termin. Aber er will sich heute Abend mit mir treffen. Ich muss jetzt los und mich fertig machen für ein wunderbares Abendessen. Auf Wiedersehen«, trällerte die gut gelaunte Chantalle.
»Auf Wiedersehen. Sie wissen ja, wo es rausgeht.« Völlig erschöpft sank Eva auf ihre Récamiere. Was für eine Anstrengung, aber jetzt musste sie nur noch abwarten. Bei dem Treffen von Hermann und Chantalle würde ein Gläschen Sekt das Übrige erledigen. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Schließlich galt es, ihr Leben nicht zu verlieren – und schon gar nicht an so eine dahergelaufene Schnepfe. Eva fand allmählich Gefallen an ihrer Rolle als Racheengel. Die Neugierde packte sie, sodass sie beschloss, später ebenfalls zu dem Italiener zu fahren. Sie wollte sich das Schauspiel nicht entgehen lassen. Das musste sie einfach sehen.
Irgendwo hatte sie eine Perücke vom Fasching. Mit ihr und der großen Sonnenbrille würde sie nicht einmal Hermann erkennen. Sie machte sich auf die Suche nach ihrer Verkleidung. Ein kurzes Telefonat mit Gerlinde, und Eva
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