Heinermaedsche
hatte sich ein kleines, unauffälliges Auto ausgeliehen, mit dem sie Hermann und Chantalle unbemerkt verfolgen wollte.
10
Endlich in Wiesbaden angekommen, parkte Eva ihren geliehenen Wagen einige Straßen von dem Restaurant entfernt. Keinesfalls wollte sie von Hermann entdeckt werden. Sie schlich sich an das Restaurant heran und hörte ihr Blut in den Ohren rauschen.
Durch das Fenster sah sie Hermann den Gastraum betreten und hörte gedämpft den Maître sprechen: »Guten Abend, Herr Fröhlich. Ihr Tisch ist eingedeckt. Bitte folgen Sie mir. Ihre Begleitung ist bereits eingetroffen.«
Der Kellner begleitete Hermann zu seinem Tisch, wo ihn Chantalle in einem knappen schwarzen Designerkleid erwartete. Ihm schien heiß zu werden. Er griff sich an die Krawatte und löste den Knoten etwas. Eva versuchte das Gespräch zu belauschen. Leider waren die Hintergrundgeräusche und die Gespräche der anderen Gäste zu laut, als dass sie etwas Genaues verstehen konnte. Ihr blieben nur Vermutungen. Anscheinend sagte Chantalle so etwas wie: »Hi, ich warte schon seit einer Ewigkeit auf dich«, und schob schmollend ihre Unterlippe nach vorn.
Er nickte ihr lächelnd zu und nahm auf dem Stuhl gegenüber Platz. Nun schaute er ihr völlig ungeniert in den Ausschnitt. Das Kleid war perfekt für sie: schwarz, eng anliegend und sehr tief ausgeschnitten. Um den Hals hatte sie eine dezente Y-Kette angelegt, die zwischen ihren mächtigen Brüsten endete. Das Dekolleté hatte sie mit etwas Glitzerpuder bestrichen. Der Champagner wurde serviert und sie nahmen einen Schluck von dem prickelnden Getränk.
Keiner von beiden bemerkte, dass sich vor dem Fenster eine dunkle Gestalt aufbaute. Eva trug einen schäbigen Hausanzug und hatte sich zur Krönung die schwarze Perücke sowie ihre Sonnenbrille aufgesetzt. Sie fühlte sich unglaublich gefährlich; Adrenalin durchströmte sie. Ein herrliches Gefühl. Jeder Muskel ihres Körpers war angespannt und sie schien besser denn je zu sehen.
Vor dem Fenster des Nobelrestaurants kroch sie in den Rabatten umher und spähte ihren eigenen Mann aus.
Kaum einer der anderen Gäste bemerkte sie oder fand es ungewöhnlich, eine dunkle Gestalt vor dem Fenster zu sehen. Ein junges Paar, welches gerade die Vorspeise aß, nickte ihr freundlich zu. Sie wusste nicht, ob sie sich einen anderen Platz suchen sollte, denn die Tatsache, gesehen worden zu sein, ließ sie zögern, einfach wegzurennen. Sie wägte ab, ob stehen bleiben, die bessere Alternative wäre. Da sie das ganze Geschehen unbedingt aus nächster Nähe miterleben wollte, blieb sie dort.
Hermann wirkte verklärt und schien sich gerade auszumalen, was er mit Chantalle nachher anstellen würde, da verdrehte sie plötzlich die Augen unnatürlich nach hinten, verzog das Gesicht zu einer hässlichen Fratze und röchelte etwas Unverständliches. Sie griff sich an den Hals und kippte seitlich vom Stuhl. Auf dem Boden zuckte sie noch ein wenig, aber das ließ recht schnell nach. Auf einmal sah sie nicht mehr ganz so sexy aus, fand Eva.
Hermann war sichtlich geschockt. Anscheinend wusste er nicht recht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte.
Ungelenk rief er den Kellner zu sich und zeigte auf die Bewusstlose auf dem Boden. Schaum tropfte aus ihrem Mund. Der Kellner war darüber wahrlich nicht sehr amüsiert.
Eva hätte zu gerne verstanden, was gesprochen wurde, aber Körpersprache war eine wunderbare Sache. Die Gesten der beiden Männer waren derart eindeutig, dass es für jeden ersichtlich war, was gerade passiert war.
Elektrisiert verharrte Eva vor dem Fenster. Eine Menschentraube hatte sich um Hermann und Chantalle gebildet, die offensichtlich tot war. Irgendwie tat sie ihr nun doch leid. Nach einer gefühlten Ewigkeit sah Eva einen Streifenwagen um die Ecke biegen. Offensichtlich hatte jemand die Polizei gerufen. Sie bekam es mit der Angst zu tun und verschwand. Wie sollte sie erklären, dass sie am späten Abend mit Perücke, Sonnenbrille und Hausanzug vor einem Restaurant herumlungerte, in dem gerade die Geliebte ihres Mannes gestorben war? Sie duckte und versteckte sich, so gut es eben ging, hinter einem Strauch. Die Polizisten liefen direkt auf sie zu. Es war zu spät, um sich aus dem Staub zu machen. Angstvoll hielt sie den Atem an und betete, dass die Männer sie nicht bemerken würden. War ihr Herzschlag eigentlich schon immer so laut gewesen? Gott sei Dank, sie gingen an ihr vorbei. Eva wollte so schnell und leise wie möglich zu ihrem Auto.
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