Heinermaedsche
gestohlen wurde«, erwiderte sie um Fassung ringend.
Vorsichtig machten sie sich auf die Suche nach abhanden gekommenen Gegenständen. Die Anspannung war ihnen anzusehen. Der Einbrecher könnte sich schließlich noch im Haus befinden. Sie schlichen dicht beieinander durch jedes Zimmer. Eva konnte beim besten Willen nicht erkennen, dass etwas fehlte. In diesem Moment betrachtete sie ihren Sohn genauer. Unbewusst rieb er mit einer Hand über seinen Bauch. Dabei krampfte er seine Finger immer wieder zusammen. Er sah aus, als wäre ihm übel. Sein Gesicht war aschfahl; seine Augen rasten umher und er wirkte sehr angespannt.
»Junge, geht es dir nicht gut?«
»Hmmm.«
»Sprich bitte mit mir, was ist denn auf einmal in dich gefahren?«
Mark druckste ein wenig herum: »Sag mal, ich habe in meinem Badezimmer ein paar Pflanzen aufbewahrt, die einem Kommilitonen von mir gehören.« Er wagte nicht, seiner Mutter die Wahrheit zu beichten. Was sollte er auch sagen? Sich als Dealer outen und womöglich ins Gefängnis gehen? Nein, niemals.
»Es geht hier allein um deine Pflanzen?« Eva zog die linke Augenbraue hoch.
Mark nickte.
»Ach so, warum sagst du das denn nicht gleich? Die habe ich weggeschmissen. Du solltest doch wissen, dass Pflanzen direktes Sonnenlicht brauchen. Da hab ich … «
»Du hast was getan?« Mark wurde es schwindelig.
»Junge, was ist mit dir, du bist ja ganz grün im Gesicht.«
»Was hast du mit den Pflanzen gemacht?« Heftig schnappte er nach Luft. Er konnte kaum noch atmen.
»Na, ich habe einen großen Teil im Garten entsorgt und…«
»Und?«
»Und einen Teil brauchte ich für meine Kekse. Es sind noch einige da, möchtest du ein paar? Bei meinen Freundinnen kamen sie gut an, ich habe ihnen welche mitgegeben.«
»Oh man«, flüsterte Mark, der Verzweiflung nah.
In dieser Sekunde vibrierte sein Handy in der Hosentasche. Zunächst nahm er es nicht wahr, so betäubt war er, erst als es laut zu klingeln begann, kam er wieder zu sich
»Was ist das für ein Geräusch?«
»Mein Handy.«
»Willst du nicht rangehen?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Wer ist es denn?«
»Sei nicht so neugierig.«
Ein Name leuchtete auf dem Display auf, kalt und unerbittlich. Genau der Name, den er in diesem Moment nicht lesen wollte. Das gab es doch nicht, wieso rief ausgerechnet der einzige Mensch an, der über seine Plantage Bescheid wusste? Ein junger Sizilianer, der dabei war, sich einen Namen in der Szene zu machen, rief an. Er war zwar nur ein Kleinstadtkrimineller, aber er hatte beste Kontakte zu den großen Bossen. Mark hatte zu viel Angst, nicht ans Telefon zu gehen, also drückte er auf den grünen Hörer. »Hallo.«
»Geht heute Abend alles glatt?«
Sein Mund war trocken. Er war unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu formulieren.
»Hab ich mich klar ausgedrückt?«, erklang die kalte Stimme aus dem Telefonhörer.
»Ähh, ich weiß nicht, ob das heute Abend so gut passt.«
»Red keinen Mist, Junge. Natürlich passt das gut. Giovanni erwartet dich und dein Grünzeug um Mitternacht in der Landwehrstraße. Sei pünktlich. Sonst … « Ein Geräusch wie das Quietschen von Kreide auf einer Tafel drang an sein Ohr. »Hast du das gehört? Es blüht dir eine sehr unangenehme Behandlung, wenn du die Pflanzen heute Abend nicht zum vereinbarten Ort bringst.«
Mark ließ das Handy fallen und schloss seine Augen.
»Was ist denn nur los mit dir? Geht es dir nicht gut?« Eva nahm ihren Sohn in die Arme.
»Du hast keine Ahnung, was du getan hast. Mein Kommilitone will seine Pflanzen unbedingt heute Abend wiederhaben. Die sind unglaublich selten und viel Geld wert.«
»Das wusste ich nicht. Wenn sie dir so wichtig sind, kann ich dir vielleicht helfen. Ich habe sie hinten im Garten auf den Kompost geworfen. Du kannst sie dir ja nehmen und deinem Kommilitonen heute Abend geben.« Sie streichelte Mark über die Wange.
»Du bist die Beste.« Er spurtete los in den Garten.
Inständig hoffte er, dass seine Mutter nicht alle Zöglinge vernichtet hatte. Er hatte Glück, ein Großteil der Pflanzen hatte den Putzwahn seiner Mutter überstanden. Die wenigen, die kaputt waren, könnte sicher einer seiner wahren Kommilitonen ersetzen. War das Züchten dieser Pflanzen doch das normalste der Welt. Es würde alles gut werden, hoffte er jedenfalls.
9
Eva griff sich, nachdem Mark das Haus verlassen hatte, ohne zu zögern ihr Handy und schrieb eine SMS an eine gewisse Chantalle. Mark war so weitsichtig gewesen und hatte
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