Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Jetzt hatte er eine gute Zigarre verdient. Er entschied sich für eine handgerollte Havanna, diesem Allzweckgerät der Regierungschefs des »dritten Wegs«. Endlich setzte er sich auf den mit weißem Leder bezogenen Steuersessel, nahm einen großen Schluck Champagner und zündete die Zigarre an. Kopfersberg war gut gelaunt.
Er dachte wieder an das Geschäft mit der Türkei-Hilfe. Sein Sohn hatte ihm vor drei Tagen in Zara, der alten Venezianerstadt an der kroatischen Küste, berichtet, daß Dr. Otto Wolferer, der Chef der EAUI, durch Viktor Drakics »Argument« überzeugt werden konnte. Und Tremani würde dafür sorgen, daß Teile der Waren auf dem Weg zu ihrem Bestimmungsort durch Waren in den Containern ersetzt wurden, die noch im Hafen von Bari lagerten und für den Kosovo bestimmt waren. Ja, die Mühe der letzten Jahre hatte sich endlich gelohnt. Die TIMOIC und die ATW, seine beiden Firmen, waren gut im Geschäft und würden es bleiben. Dessen war er sich sicher. Für Dienstag erwarteten sie die »Gäste« in der Villa, ihre Handelspartner. Auch Wolferer würde kommen. Danach hätte man ihn für immer in der Hand. Und mit Tremani wußte er umzugehen. Er kannte ihn schon lange. So schlau, wie er tat, war Tremani nun wirklich nicht. Kopfersberg grinste.
Nur um Olga müßten sie sich noch kümmern, sie stellte die einzige Gefahr dar, seit sie das Tagebuch Elisas und die Fotos aus dem Safe gestohlen hatte, den zu schließen er vergessen hatte. Er hatte nur einmal nicht aufgepaßt. Die zehntausend Dollar, die Olga ebenfalls mitgehen ließ, waren nicht so wichtig, nicht einmal das Tagebuch. Aber die Fotos. Die brauchten sie. Olga war der Meinung, daß sie die Unterlagen verwenden konnte, um eine Gegenerpressung zu starten, sie seien ihr Lösegeld und ihr Schutz. Sie hatte gleich nach dem Diebstahl damit gedroht, zur Polizei zu gehen, wenn man sie und ihren Bruder nicht zurückkehren ließe. Und hunderttausend Dollar hatte sie zusätzlich gefordert. Sollten sie etwa mit Olga verhandeln? Viktor mußte sich um sie kümmern. Er kannte die Methoden aus dem Krieg in seiner Heimat, in dem er sich als Held bewährt hatte. Viktor sollte sich Olga und ihren Bruder vornehmen. Dann wäre die Sache aus dem Weg. Er war sicher, daß Olga nicht raffiniert genug war, die Unterlagen der Polizei zuzuspielen. Kopfersberg zog genüßlich an seiner Zigarre. Es war jetzt bald dunkel. Sie würden sie zwingen, die Unterlagen herauszugeben.
Und Spartaco? In Zara war sein Sohn ruhig geblieben. Über seine Mutter hatten sie nur kurz geredet. Natürlich verstehe er seine Zweifel, hatte ihm Bruno versichert, nachdem Spartaco das Tagebuch im Schreibtisch seiner Mutter gefunden hatte, nach so langen Jahren. Als Spartaco sich das Möbel, das Elisa einmal bei einem Antiquitätenhändler im Getto erworben hatte, nach Wien schicken ließ, hatte ein Restaurateur das Geheimfach entdeckt, das auch Bruno nicht bekannt war. Spartaco war sofort nach Triest gekommen, um seinen Vater zur Rede zu stellen, weil er davon überzeugt war, daß Bruno und Eva seine Mutter aus dem Weg geräumt hatten. Es gab einen mächtigen Streit, der sich noch steigerte, als Bruno de Kopfersberg sich von Eva trennte, um mit Tatjana Drakic zu leben. Eva war es so gegangen wie zuvor seiner Mutter. Fast. Aber sie waren alle drei geschäftlich miteinander so verstrickt, daß nichts passieren konnte. Und endlich schien sich auch Spartaco wieder beruhigt zu haben. Es hatte lange genug gedauert.
Das einzige Problem in Kopfersbergs Leben war seine gegenwärtige Gefährtin. Liebte er sie? Nein. Sie war Teil des Geschäfts und nicht schlecht im Bett. Aber Liebe? Hatte er je einen Menschen in seinem Leben geliebt? Elisa etwa, oder Eva? Nein. Das machte einen nur angreifbar. Vielleicht war es auch besser, sich bald von Tatjana zu trennen. Und natürlich von ihrem Bruder. Er brauchte wirklich keinen Menschen an seiner Seite.
Die andere Yacht war bisher parallel gefahren, doch jetzt änderte sie ihren Kurs nach Nord, bei gleichbleibender Fahrt. Nach spätestens einer Seemeile müßten sie zusammentreffen, wenn beide Kurs und Tempo hielten. Kopfersberg schaute eine Weile hinüber und goß das Glas erneut voll. Der andere mußte ihn schließlich seit langem gesehen haben und reagieren. Kopfersberg verließ sich darauf, lehnte sich zurück, legte die Füße aufs Steuerpult und schloß einen Augenblick die Augen. Der laue Fahrtwind und seine Zufriedenheit lullten ihn ein. Er tat einen tiefen
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