Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
hatten einiges zu verdauen. Dann fuhr er fort.
»Noch jemand wurde mit den genannten Personen zusammen gesehen: Benedetto Rallo, Direktor der Banca Nordeste. Darüber weiß die Guardia di Finanza mehr, doch lassen Sie mich der Einfachheit hinzufügen, daß die TIMOIC und ihr österreichischer Ableger ATW in Wien bei dieser Bank ihre Konten führt. Alle genannten Personen haben sich gestern Nachmittag getroffen.«
Laurenti machte wieder eine Pause.
»Führen wir alle diese Punkte zusammen, bekommen wir ein ziemlich klares Bild, ein Wespennest, wie der Questore es formuliert hat. Zum Schluß: Heute treffen zahlreiche Gäste ein, für die die TIMOIC Hotelzimmer gebucht hat. Fossa hat heute abend wieder Nachtdienst, den er sich sonst nur selten zugemutet hat in den letzten Jahren. Wir vermuten, daß in der Villa heute abend eine Party veranstaltet wird, an der auch wir etwas später teilnehmen sollten. Wenn alles klappt, meine Herren, dann könnte es sein, daß wir das Wespennest ausräuchern können. Ich schlage daher vor, daß wir heute Nacht die Via dei Porta dichtmachen und gegen Mitternacht durchsuchen.«
»Signori«, sagte der Questore, »Sie haben es gehört. Wie ist Ihre Meinung?«
Die Kollegen brauchten einige Sekunden, um die Menge an Informationen zu verdauen.
»Laurentis Schlußfolgerung liegt nahe«, begann Ettore Orlando. »Er hat aber etwas vergessen: Am Rumpf der Ferretti, der Yacht von Kopfersberg, wurden Farbspuren gefunden. Sie stammen vom Schiff seines Sohnes, das wissen wir seit einer halben Stunde. Das beweist zwar noch nichts, denn sie lagen schon im Hafen von Zara nebeneinander. Aber immerhin.«
»Moment mal! Spartaco behauptet doch, daß er seinen Vater nicht gesehen hat seit über drei Wochen, und Zara hat er verschwiegen«, protestierte Laurenti. »Das ist doch schon was!«
»Aber dennoch beweist es wenig, Proteo«, sagte Orlando bedauernd.
»Das sind alles nur Spekulationen, die Laurenti vorbringt«, sagte der Carabinieri-Colonello in scharfem Tonfall. »Ich warne davor, die Sache zu überstürzen. Bedenken Sie den Schaden für die Stadt, wenn wir heute Nacht losschlagen. Prominente Gäste wahrscheinlich, die sich nicht alles gefallen lassen! Und was passiert, wenn jetzt auch die Hilfslieferungen für die Türkei ins Gespräch kommen? Wir können uns schrecklich blamieren. Ich plädiere für diskrete Überwachung, bis wir wirklich etwas in der Hand haben!«
»Und Sie, Zanossi?« Der Questore bat den Maggiore der Guardia di Finanza um seine Meinung.
»Ich folge Laurenti«, sagte dieser, »aber die Bedenken des Colonello sind nicht von der Hand zu weisen. Ich frage mich, welche Rolle Tremani spielt. Machen wir den Einsatz davon abhängig, ob er heute abend dabei ist oder nicht. Wenn er mit der TIMOIC zu tun hat, dann müssen wir zuschlagen. Noch einmal ein solches Desaster mit den Hilfsgütern wie in Bari können wir uns nicht erlauben. Ich kann mir gut vorstellen, daß Tremani mit drin hängt. Vielleicht hat er auch Kopfersberg auf dem Gewissen. Seltsam kommt mit nur vor, daß sie so umständlich vorgegangen sind. Warum haben sie ihn nicht einfach erschossen, und basta? Die Mafia will, daß sofort bekannt wird, wenn sie jemand beseitigt hat. Als abschreckendes Beispiel.«
Laurentis Mobiltelefon klingelte.
»Entschuldigen Sie«, sagte er, »es könnte wichtig sein.« Er nahm ab, hörte angespannt zu und verkündete dann mit großer Geste: »Spartaco de Kopfersbergs Fingerabdrücke sind auf dem Tagebuch. Und die Spuren am Bootshaken stammen auch von ihm. Das ist der Beweis.«
»Aber auch das könnte in Zara passiert sein«, gab der Questore zu bedenken. »Die Verflechtung mit Tremani scheint mir bedeutsamer zu sein. Den jungen Kopfersberg können wir auch so festnehmen. Eine Durchsuchung der Villa ist damit nicht zu rechtfertigen.«
Laurenti überlegte und sagte eine ganze Weile nichts. Sie starrten ihn an und warteten. Schon wieder breiteten sich zwei große dunkle Flecken auf seinem Hemd aus. Endlich räusperte er sich und sagte: »Da ist auch noch die Bank. Ich hatte sie vorhin vergessen. Als Tremani sich mit dem jungen Kopfersberg und Drakic traf, war auch Benedetto Rallo dabei, Direktor der Banca Nordeste. Sagen Sie, Zanossi, spielte die nicht auch eine Rolle bei Ihren letzten Ermittlungen gegen die TIMOIC?«
»Natürlich«, sagte Zanossi. »Die ATW, die Wiener Tochtergesellschaft, hat damals über die Banca Nordeste die Zahlungen geleistet, die später aufgeflogen sind. Wir
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