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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Zug aus seiner Zigarre und kniff die Augen so weit zusammen, daß der Horizont sich langsam auflöste. Doch plötzlich hörte er, wie die Maschine der anderen Yacht beschleunigte. Die Turbinen gaben ein kerniges Geräusch von sich, das allmählich lauter wurde. Kopfersberg vermutete, daß der andere endlich auf die Kursänderung reagierte und mit schnellerer Fahrt die drohende Kollision verhindern wollte. Bruno de Kopfersberg war beruhigt und blieb unverändert sitzen. Er tastete nach dem Champagnerkelch und leerte ihn in einem Zug. Er liebte diesen Geschmack, der das Getränk von allen anderen unterschied.
     
    Der fremde Motorenlärm hätte eigentlich abnehmen müssen, er wurde aber lauter, kam näher. Mit einem Ruck setzte Bruno de Kopfersberg sich auf und öffnete die Augen. Er legte instinktiv die rechte Hand an den Gashebel und die linke ans Steuer, um umgehend reagieren zu können, falls etwas nicht stimmte. Dann sah er den hellen Bootskörper der Yacht schnell näher kommen. Mehr konnte er nicht erkennen, es war längst dunkel. Das Motorengeräusch ließ auf ein sehr schnelles Schiff schließen. Kopfersberg drückte den Doppel-Gashebel ein Stück nach unten, der Kühler mit dem Champagner rutschte zur Halteleiste auf der Abstellfläche. Er drehte das Steuer nach Backbord. Die Kielwelle der Ferretti wurde weißer als zuvor. Sie machte jetzt dreißig Knoten und lief erst auf Halbgas. Die zweitausendvierhundert PS der MAN-Turbine boten enorme Reserven. Auch sie waren mit der Beschleunigung sehr viel lauter geworden.
    Der Fahrtwind fegte durch Kopfersbergs Haar. Er sah, daß sich der Abstand immer noch verkleinerte. Die Bugwelle der anderen Yacht schlug grell, hoch und weiß vom Bootskörper. Kopfersberg begriff, daß dieses Schiff nicht ausweichen wollte, daß es Kurs auf ihn hielt. Er drückte die Gashebel ganz durch und mußte sich wegen des Schubs, den die Ferretti entwickelte, am Steuer festhalten.
    Es gab nicht viele Schiffe, die dieses Tempo mitgehen konnten, schon gar nicht auf längere Zeit. Die Tanks waren annähernd voll, auch das ging Kopfersberg durch den Kopf. Zwar liefen jetzt um die fünfhundert Liter in der Stunde durch die Einspritzpumpen des Schiffsdiesels, aber mit der verbliebenen Tankfüllung käme er viermal so weit, wie er mußte. Er blickte nach rechts und sah, wie sich der Abstand zwischen den Yachten wieder langsam vergrößerte. Er arretierte das Steuer für einen Augenblick, um den Champagnerkühler auf dem Tisch festzuklemmen, der wegen der harten Schläge des Schiffs bedrohlich wippte. Es wäre zu schade um den Dom Pérignon. Er löste die Steuerarretierung wieder und beschloß, diese Fahrt noch eine gute Weile beizubehalten. So lange, bis er sich sicher fühlte. Der Lärm der Ferretti war ohrenbetäubend. Kopfersberg hielt die Zigarre zwischen den Zähnen, der Rauch flog in die Dunkelheit hinter ihm.
    Als er endlich das andere Schiff nicht mehr sah, drosselte er die Turbine um ein Drittel, und der Bug der Ferretti senkte sich. Sie machte nun fünfunddreißig Knoten, und Kopfersberg setzte sich schon wieder beruhigt auf den Steuersessel. Hätte er sich ein einziges Mal ganz umgedreht, zweihundert Meter über die Kielwelle hinausgeblickt, dann hätte er gesehen, daß er nicht in Sicherheit war. Doch Kopfersberg drehte sich nicht um. Den Motor des anderen Schiffes konnte er nicht hören, zusammen mit dem Fahrtwind überdeckte der MAN-Diesel den Lärm hinter ihm. Der andere mußte dies wissen. Nach einigen Minuten drosselte Kopfersberg die Maschine auf die alte Geschwindigkeit. Endlich wich die Aufregung von ihm, und er schenkte sich ein weiteres Glas Champagner ein. Kopfersberg überlegte, was dieses eigenartige Manöver bedeuten sollte. Von Piraterie in der Adria hatte er noch nie gehört, und allein der Gedanke daran war absurd. Da hörte er das Bordtelefon klingeln, einer der Hörer befand sich neben dem Steuer. Er nahm ab.
    »Vater?« Es war die undeutliche Stimme Spartacos, mit dem üblichen Echo der Satellitenübertragung.
    »Ja«, Kopfersberg erschrak. Warum rief ihn sein Sohn über das Satellitentelefon an? »Spartaco? Bist du das?«
    »Ja, Vater. Ich komm jetzt längsseits!«
    Kopfersberg drehte sich endlich um und sah über seiner Kielwelle den schmalen weißen Bug der Corbelli im schwarzen Wasser schnell größer werden.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts, ich will nur mit dir reden, Vater.« Seine Stimme war kaum zu verstehen.
    »Was soll das, Spartaco? Wir haben alles

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