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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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stieß einen Pfiff aus.
    »Die alte Fossa mit Drakic?« Laurenti trommelte mit dem Bleistift auf die Tischplatte. »Was haben sie gemacht? Eine Affäre können die beiden wohl kaum miteinander haben.«
    »Er könnte es gewesen sein, habe ich gesagt«, wiederholte Marietta. »Sie haben lediglich etwas getrunken. Die Fossa wartete schon ein Weilchen. Er kam durch den hinteren Eingang, aus der Via Cadorna. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, die Fossa hat ihm was gegeben. Auf jeden Fall hat sie aus ihrer Handtasche eine Mappe gezogen und auf den Tisch gelegt. Ich konnte nicht sehen, was auf dem Tisch geschah. Nach zehn Minuten ist Drakic, wenn er es war, aufgestanden und wieder gegangen. Die Fossa steckte irgend etwas in ihre Tasche zurück, wartete eine Weile, bezahlte und ging dann auch, aber auf die Via Diaz hinaus.«
    »Und dann?« fragte Sgubin. »Wohin ist sie gegangen?«
    »Keine Ahnung. Ich konnte ihr doch nicht folgen. Mein Ex hatte sich schon beschwert, daß ich ihn nie anschaute.«
    »Die Fossa!« Laurenti war aufgestanden und kratzte sich am Hinterkopf. »Arbeitet sie noch auf der Präfektur?«
    »Soweit ich weiß, ja. Aber ich schau nach.« Marietta ging in ihr Zimmer und holte das Ämterverzeichnis. »Elvira Fossa«, rief sie triumphierend, »stellvertretende Leiterin der Ausländerbehörde. Hier!«
    Keiner von ihnen konnte Elvira Fossa leiden. Sie saß für die Alleanza Nazionale im Gemeinderat und engagierte sich schon lange in dieser Partei für Recht und Ordnung und gegen die Zulassung der Zweisprachigkeit, die seit Mussolini verboten blieb. Nach Decantros Berichten über den angeblichen Sündenpfuhl Triest hatte sie wüst gegen Ausländer gewettert und von »Überfremdung« gesprochen. Sie war Anfang Fünfzig, dreißig Jahre mit ihrem Mann verheiratet, kinderlos. Ihr Vater war bereits Funktionär der Mussolini-Partei gewesen. Auf sein Konto ging in Triest die Italianisierung alles Nichtitalienischen, unter ihm wurde kräftig umgetauft: aus dem Familiennamen Ptacek wurde Pace, aus Giuppanovich wurde Giuppani, aus Goldschmidt wurde Orefice. Nur die von Kopfersbergs, die sich gleich nach dem Ersten Weltkrieg zu de Kopfersberg gewandelt hatten, kurzfristig de Coppero geworden waren, hatten sich gleich im Herbst 1943 unter der Nazibesatzung im sogenannten »adriatischen Küstenland« wieder zu de Kopfersberg gemausert. Weshalb sie allerdings das »de« stehen ließen?
    Elvira Fossas Vater war Anfang der Achtziger gestorben. Hunderte hatten ihm das letzte Geleit gegeben. Seine politische Gesinnung wurde in den Nachrufen deutlich. Gegen ihn war in der Nachkriegszeit nicht lange ermittelt worden, seine Rolle während der deutschen Besatzung wurde nie angerührt und das Verfahren bald eingestellt. Seine Tochter hatte statt eines Priesters auf der Trauerfeier eine flammende Rede für die Nation gehalten, die sich wie eine Wahlkampfrede anhörte. Was sie mit dem Slawen Viktor Drakic zu tun haben konnte, war Laurenti ein Rätsel. Es ging also um etwas anderes.
    »Weshalb zum Teufel hat Elvira Fossa Drakic getroffen?« Laurenti schaute seine beiden Kollegen nachdenklich an. »Was haben sie ausgetauscht, wenn sie überhaupt etwas ausgetauscht haben? Marietta, du mußt zu Drakic gehen und feststellen, ob er es wirklich war. Laß dir was einfallen. Geh hin und frage, ob ich dort meinen Dienstausweis vergessen habe. Er ist seit Samstag verschwunden.
    Und wenn du schon losgehst, kannst du dann bitte da unten an der Tankstelle für mich bezahlen: ich hatte kein Geld dabei. Aber laßt uns zuerst hier weiterreden. Sgubin, wie heißt du eigentlich mit Vornamen?«
    »Antonio«, Sgubin räusperte sich verlegen. Er war für alle immer nur Sgubin gewesen, und nun fragte der Commissario nach seinem Vornamen.
    »Die TIMOIC hat im ›Duchi‹ sechs Zimmer gebucht und im ›Savoya Palace‹ fünf.« Er mußte die ganze Zeit unter Druck gestanden haben, bis er diese Nachricht loswerden konnte. Er legte eine Liste mit den Namen auf den Tisch. Laurenti schaute sie lange an. Italiener, Österreicher oder Deutsche, slawische Namen, ein Engländer. Fast alle hatten einen Doktortitel, fiel ihm auf. Es war keine Frau dabei. Er strich das Papier auf dem Tisch glatt.
    »Für wann?«
    »Heute.«
    »Nicht schlecht.«
    »Und noch etwas«, platzte Sgubin heraus. Er hatte ungeduldig darauf gewartet, daß er den zweiten Teil seiner Ermittlungen loswerden konnte. »Romano Rossi …«
    Laurenti fuhr auf.
    »… Romano Rossi heißt Vincenzo

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