Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
mit einem so lauten Knall hinter sich zu, daß die große Glasscheibe bebte. Drei Männer traten zur Seite und machten den Weg für ihn frei.
»An die Arbeit!« Laurenti sah gefährlich aus. Er wußte, daß Fossa unter seinen Leuten hohes Ansehen genoß und daß alle Polizisten und Polizistinnen in diesem Raum zu ihm hielten. Alle. Außerdem hatten sie gehört, wie der Commissario sich über zwei von ihnen ausließ und waren schon allein deswegen gegen ihn. Murrend gehorchten sie, als sie feststellen mußten, daß Laurenti nicht aus dem Büro raste, sondern wartete, bis sie sich wieder an ihre Plätze begeben hatten.
»Damit das klar ist«, sagte Laurenti mit lauter Stimme, »wer unzuverlässig ist, bekommt Ärger. Immer und grundsätzlich!«
Fossa hatte die Tür wieder geöffnet und machte hinter Laurents Rücken zwei beruhigende Handbewegungen, woraufhin die Beamten sich über ihre Pulte beugten und die Kopfhörer aufsetzten. Laurenti ließ die Tür offenstehen. Er wußte, daß gleich nach seinem Abgang geflucht und geschimpft würde, aber wenigstens erst dann, wenn einer von ihnen aufgestanden war, um die Tür zu schließen.
Sogar auf der Straße kochte er noch vor Wut. Irgendwann merkte er, daß die Leute, die ihm auf dem Gehweg entgegenkamen, ihn irritiert ansahen, wie er so grimmig daher ging. Er blieb einen Augenblick stehen. Obwohl er seit zwanzig Jahren nicht mehr rauchte, hatte er auf einmal Lust auf eine Zigarette. Er ging langsam weiter und bestellte sich in der nächsten Bar einen Kaffee. Und mußte plötzlich lachen.
Immerhin hatte er Fossa den Feierabend versaut. Der mußte sich, ob es ihm paßte oder nicht, hinsetzen und den Bericht verfassen. Daran führte kein Weg vorbei. Tat er es nicht, gäbe es wirklich Aufsehen, und das konnte Fossa auf keinen Fall wollen. Laurenti spürte, daß es richtig war, Fossa diese Szene gemacht zu haben, auch wenn sie beim Polizeipräsidenten etwas anderes vereinbart hatten. Von den anderen Verdächtigungen hatte Laurenti nichts erwähnt, und Fossa müßte sich eigentlich in Sicherheit wiegen. Das war wichtig, wenn sie erfahren wollten, was hinter den Kulissen vor sich ging.
Triest, 22. Juli 1999
Als Proteo Laurenti um Viertel vor acht in sein Büro kam, lag der Bericht Fossas bereits auf seinem Schreibtisch. Er blätterte lustlos darin herum und überflog die zweieinhalb Seiten nüchterner Darstellung der Streifenfahrt mit Decantro, in der natürlich keine Verfehlung eingestanden wurde und die mit der Bemerkung schloß, daß es sich bei den Kollegen Vicentino und Greco um zuverlässige Beamte handele, denen man in jedem Fall vertrauen könne. Danach blätterte Laurenti in den beiden Dienstakten, in denen ebenfalls nie ein Tadel eingetragen worden war. Fossa verstand seine Leute zu schützen.
Um acht kam Marietta fröhlich vor sich hin singend in ihr Büro, knipste die Kaffeemaschine an und rief ein fröhliches »Guten Morgen, Proteo« durch die offenstehende Tür. Wenig später war auch der bleiche Sgubin da, und sie setzten sich an den Besprechungstisch, um die Ergebnisse ihrer Ermittlungen auszutauschen. Sgubin hatte die Zeitung aufgeschlagen und Laurenti ein Foto des Hais gezeigt, das ein Amateur für den alljährlichen Fotowettbewerb um die schönsten Bilder der Stadt aufgenommen hatte. Erst zu Hause am Computer hatte er laut »Piccolo« entdeckt, welch sensationeller Schnappschuß ihm gelungen war. Das Foto hatte er in der Nähe der »Lanterna« aufgenommen, wo nebenan die türkischen Frachter liegen. Vom linken und rechten Bildrand ragten die mächtigen Buge zweier Frachter ins Zentrum. Zwischen ihnen war nur wenig Platz geblieben, im Hintergrund konnte der Betrachter schemenhaft die weiße Kulisse des Castello Miramare erkennen. Und im unteren Teil des Fotos durchschnitt tatsächlich die beeindruckende Rückenflosse eines Hais die Wellen. »Ein Kandidat für den ersten Preis«, damit schloß der Text. Laurenti gab Sgubin die Zeitung zurück, nachdem er sie flüchtig durchgeblättert hatte. Über ihn war heute eigenartigerweise nichts zu finden.
Die zweite Sensation tischte Marietta auf. »Ich war gestern mit meinem geschiedenen Mann essen. Bei den ›Due Triestini‹, bei dir um die Ecke in der Via Diaz, in dieser alten Trattoria. Und weißt du, wer da war? Signora Fossa! Sie hat mich hoffentlich nicht gesehen. Bei ihr am Tisch saß ein Mann, der Viktor Drakic ähnlich sah, so wie ich ihn von Fotos kenne.«
Laurenti war wie elektrisiert, und Sgubin
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