Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
das Versprechen erhalten, daß nichts passieren würde. Dafür hatte er sich mit einem Briefumschlag bedankt, der drei Millionen Lire enthielt. Um acht hatten er und seine Schwester mit den neuen Mädchen die Spielregeln für den Abend gepaukt. Die Mädchen waren seit dem Morgen »legal« im Land. Viktor Drakic hatte sie einzeln in sein Zimmer gerufen und die neuen Ausweise mit der Aufenthaltsbewilligung gezeigt. Aber er hatte die Pässe gleich wieder an sich genommen und nur versprochen, daß sie sie in den nächsten Tagen für die Weiterreise erhalten würden. Er sagte ihnen nicht, daß die Pässe dann in die Hände der neuen Herren wechselten, die die Mädchen, die nicht einmal mehr im Besitz ihrer alten Dokumente waren, damit weiter erpressen konnten.
Jetzt saß Drakic mit Spartaco de Kopfersberg im Arbeitszimmer des Österreichers. Spartaco hatte demonstrativ den Platz seines Vaters am Schreibtisch eingenommen, Viktor Drakic saß ihm auf dem unbequemeren Stuhl gegenüber.
»Es ist gut, daß wir heute die Party haben. Noch vor der Beisetzung. Wir können mit jedem einzelnen sprechen und versichern, daß sich nichts für sie ändert.« Spartaco legte die Gästeliste zurück. Die Namen entsprachen den neuen Perspektiven ihrer Geschäfte. »Haben wir alles im Griff? Die neuen Mädchen sind schön und gehorchen. Heute Nachmittag kommt Wolferer, wir fahren mit ihm an den Hafen, damit er sieht, wie gut es mit seinen Containern läuft. Er muß einen erstklassigen Eindruck kriegen, damit er ein reines Gewissen hat. Wir werden ihn heute Abend Cardotta vorstellen. Am Nachmittag kommt der Präsident der Schiffahrtsvereinigung, mit ihm kommen wir überall durch. Wer holt ihn ab?«
»Eva fährt nach Ronchi«, antwortete Viktor Drakic. »Sie bringt ihn um zwölf Uhr dreißig ins Büro. Danach gehen wir zum Mittagessen ins ›Nastro Azzuro‹.«
»Das ist gut«, Spartaco war beruhigt. »Eva kann das. Was gibt’s noch?«
»Wie geht’s weiter, Spartaco?«
»Genauso wie bisher.«
»Das glaube ich nicht. Es ist Zeit für Veränderungen!«
»Weshalb?«
»Weil der Platz deines Vaters frei und das Geschäft größer geworden ist. Deshalb, Spartaco, deshalb müssen wir ein wenig umstrukturieren. Tremani erhebt größere Ansprüche, wie wir gestern erfahren haben. Und Eva brauchen wir nicht mehr. Sie war ein Relikt deines Vaters und hängt zu sehr an den alten Geschäften. Du bist in Wien und nicht in Triest …«
»Wie du siehst, bin ich hier«, sagte Spartaco. »Und ich bleibe hier. Wien können wir von Triest aus steuern. Oder du übernimmst Wien, Viktor.«
»Das ist ausgeschlossen. Ich muß hier sein. Wer regelt sonst die Sache mit den Mädchen?«
»Deine Schwester, wie bisher.«
»Tatjana hat nichts ohne mich gemacht, Spartaco. Und willst vielleicht du künftig rüberfahren und in einer Sprache verhandeln, die du nicht sprichst?« Viktors Argument war unwiderlegbar.
»Dann Eva«, sagte Spartaco. »Das wäre vielleicht die Lösung.«
»Sie wird kaum von hier weggehen. Außerdem traue ich ihr nicht mehr. Seit dein Vater tot ist, hat sie die Bindung ans Geschäft verloren. Sie ist das kleinste Rad am Wagen und hat mich nie akzeptiert. Wenn wir Probleme mit ihr bekommen, halte ich es sogar für möglich, daß sie Zeugenschutz beantragt und uns verpfeift.«
»Halte ich für ausgeschlossen: dann ist auch Rallo dran und seine Bank. Das wird sie nicht riskieren. Sei nicht so hysterisch, Viktor!«
Drakic wurde wütend. »Paß auf, was du sagst, Spartaco! Wenn ich hysterisch wäre, hätte ich den Krieg und alles danach nicht überlebt. Sei vorsichtig! Du vergißt, mit wem du es zu tun hast. Dein Vater hat es nie vergessen. Du bist naiv, Spartaco. Ich sage dir, Eva ist ein Problem. Rallo wird wegen ihr nicht aussteigen. Den haben wir fest im Griff. Ich werde mich um sie kümmern. Nach der Party. Morgen. Tu nicht so, als ob es dir nicht in den Kram paßte, Spartaco! Eva hat mir von der Szene erzählt, die du ihr gemacht hast. Das war dumm. Sehr dumm! Sie könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, regt sich ja schon über unser neues Geschäft mit den Mädchen auf. Und du Idiot meinst, sie hätte zusammen mit Bruno deine Mutter aus dem Weg geräumt. Wirklich, du spinnst. Sie ist gefährlich, weil sie keine guten Nerven hat. Und noch etwas: Wo warst eigentlich du in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch? Was hast du mit deiner Hand gemacht?«
»Das reicht, Viktor«, rief Spartaco außer sich. »Ich weiß, daß du ein Schwein
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