Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Geschäfte zu stören versucht«, antwortete Drakic. »Auch von unseren Freunden aus Lecce würde ich gerne ein eindeutiges Nein vernehmen.«
»Er hat uns nicht gestört«, sagte Tremani kalt. »Wer profitiert denn von seinem Tod, Drakic? Hast du schon einmal darüber nachgedacht? Du und Spartaco!«
»Wir?« fragte Drakic.
Tremani schaute aus dem Fenster. »Stell dich nicht dümmer an, als du bist, Viktor. Was ist mit Eva?« fragte er. Es war offensichtlich, daß Tremani der Mann mit der größten Autorität unter ihnen war. »Hast du mit ihr gesprochen?«
»Ja«, antwortete Drakic mißmutig, »auch Eva sagt, sie habe keine Ahnung.«
»Hast du sie wirklich eingehend befragt? Sie ist doch seine Vertraute geblieben?« wollte Tremani wissen.
Benedetto Rallo rieb sich nervös das rechte Handgelenk.
»Ich habe sie durch den Fleischwolf gedreht«, antwortete Viktor Drakic. Er schaute Tremani mit kaltem Blick an. Rallo räusperte sich und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er hatte seine Geliebte bereits einige Tage nicht gesehen und war nicht auf dem laufenden.
»Vielleicht sollte sie doch bald die Firma verlassen«, antwortete Tremani.
»Das habe ich ihr auch gesagt«, antwortete Drakic. »Ich glaube, sie hat verstanden.«
»Darüber entscheide nur ich!« sagte Spartaco kalt. »Ich leite jetzt die Firma. Es passiert nichts ohne mich! Ist das klar? Auch dir, Viktor?«
Einen kurzen Augenblick lang herrschte verblüffte Ruhe.
»Die Nachfolge regeln wir, wenn uns die Gäste verlassen haben. Bis dahin erledigt jeder seine Dinge, wie geplant. Spartaco übernimmt solange die Rolle seines Vaters. Und über die Zukunft reden wir danach.« Vincenzo Tremanis Stimme war auf einmal nicht mehr sanft, sondern rauh, hart und drohend. Lediglich die Lautstärke blieb unverändert.
»Und nichts Unbesonnenes! Das Geschäft ist für alle lohnenswert. Die Fracht nimmt zu. Wir haben die Lieferwege fest im Griff, die Zulieferer und die Spediteure bezahlen wie vereinbart. Jetzt kommt noch der Bedarf an Wohncontainern hinzu. Es bleibt nicht mehr bei den üblichen Hilfslieferungen. Und noch etwas …« Tremani hielt einen Augenblick inne. Keiner wagte, etwas zu sagen. Spartaco de Kopfersberg schaute ernst, Drakic flocht die beiden Enden seiner Serviette zu einem Knoten, den er erst langsam und dann mit einem Ruck zusammenzog. Rallo stand trotz der Klimaanlage der Schweiß auf der Stirn.
»Man versucht nur einmal, uns zu hintergehen. Merkt euch das! Dein Vater hat es versucht, Spartaco! Aber ich bin großzügig. Ich nehme zu deinen Gunsten an, daß du nichts davon wußtest. Und auch du nicht, Drakic!«
»Ich verstehe nicht …«, hob Spartaco an, doch Tremani unterbrach ihn.
»Nur soviel: dein Vater hat Gelder abgezweigt.« Er wies auf den Bankdirektor. Rallo nickte.
»Ich mußte es sagen«, versuchte er sich gegenüber Spartaco zu verteidigen. Er wand sich, räusperte sich zweimal, bevor er fortfuhr. »Ich warne euch«, sagte er dann, »laßt Eva in Ruhe! Ohne sie bedeutet ohne mich!«
»Das ist ja interessant«, Viktor Drakic sah ihn zynisch an. »Keine Emotionen, Rallo! Banken gibt es wie Sand am Meer. Vergiß nie das Geschäft!« Er blickte auf Tremani und hoffte auf Zustimmung.
»Nichts ohne mich!« Spartaco de Kopfersberg schlug mit der Hand auf den Tisch. »Das gilt für alle! Auch für die Freunde aus Lecce!« Und etwas leiser: »Ich sage das nur einmal!«
Tremani lächelte. »Regt euch nicht auf. Denkt an morgen. Und macht keine Dummheiten!«
Er rückte seinen Stuhl vom Tisch und stand auf. Auch Pasquale Esposito erhob sich.
»Auf bald«, sagte Tremani.
16.25 Uhr
Zumindest in einem Punkt seiner Beschreibung von Polizisten hatte Vincenzo Tremani recht, soweit es Proteo Laurenti betraf: Er war ungeduldig. Er war ungeduldig bis zum Erbrechen und hatte sich darin nie geändert. In seinem Beruf, aber auch privat. Er war es mit anderen und mit sich selbst. Als er Laura kennenlernte, war sie wegen seiner Ungeduld mehrmals vor ihm geflohen. Trotz ihrer Zuneigung zu diesem seltsamen Mann, der dem konventionellen Bild eines Polizisten schon wegen seiner Begeisterung für Malerei und Literatur nicht so recht entsprach, hatte sie lange gezögert, seinem Werben nachzugeben. Laurenti hatte seine spätere Frau mehr als ein Jahr hofiert, ihr Blumen geschickt, sie zum Essen ausgeführt, Bücher geschenkt, sie mit seinen Aufmerksamkeiten so überschüttet, daß sie eines ganz bestimmt wußte: Wenn sie sich diesem Mann
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