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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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Polizei gehen.«
    »Wenn die Kantonspolizei davon Kenntnis hat, muss sie handeln«, fuhr Coudray fort. »Indes Sie können zuerst überprüfen, ob ich richtig liege, und werden daraufhin tätig.«
    »Erzählen Sie Ihre Geschichte«, sagte Müller. »Ich entscheide anschließend, ob es das Risiko wert ist abzuwarten.«
    Coudray war nicht überzeugt, aber da er den ersten Schritt in die Wege geleitet hatte, machte er nun auch den zweiten.
    »Wer Thomas Däppen erschossen hat, weiß ich nicht, ich tippe auf Delia Zimmermann. Einer der Schauspieler, ob Haupt-, Nebenrolle oder Statist, ist es nicht gewesen. Sie haben zwar von mir gehört, dass die Mittel sehr knapp sind, ich habe jedoch auf eine minimale Korrektheit der Kostüme geachtet. Deshalb ist mir gleich aufgefallen, dass die Person verschiedene Teile aus den Requisiten zusammengeklaubt hat.«
    Heinrich beachtete die knorrigen, weit ausladenden Trauerweiden nicht, die inzwischen das Flussufer säumten. Er war bemüht, weder durch kräftiges Rudern noch durch eine andere unachtsame Bewegung den Redefluss des Regisseurs zu unterbrechen.
    »Allerdings bin ich mir sicher, dass Pierre Roth Delia Zimmermann umgebracht hat. Mein Hauptdarsteller hatte einen schönen Batzen Geld in den Film investiert.« Dieses Geständnis machte ihm sichtlich Mühe.
    »Deshalb hat er die Rolle gekriegt«, platzte Müller dazwischen.
    »Ja. Und deswegen war er an allen Verhandlungen beteiligt, an denen es um die Finanzen ging.«
    »Er wusste also über die desolate Lage der Produktionsgesellschaft Bescheid.«
    »Ja. Und, was noch viel wichtiger ist, dabei hat er Delia Zimmermann kennen gelernt. Plötzlich interessierte er sich kaum mehr für die Lagerdirne, sondern fast nur noch für die Geldgeberin mit ihren leeren Versprechungen. Er hat sich definitiv in sie verliebt. Ob die beiden auch geglaubt haben, sie könnten den Film noch rausreißen, weiß ich nicht.«
    »Was macht Sie so sicher?«, fragte Müller.
    »Er hat mir von einem wertvollen Teppich erzählt«, sagte Coudray. »Und dass er den nun mit der Zimmermann in einer alten Brauerei abhole. ›Was macht denn ein wertvoller Teppich in einer Brauerei?‹, habe ich noch gelacht. Da ist er plötzlich schweigsam geworden und hat gesagt: ›Besser, du weißt nicht zu viel.‹«
    Darauf schwieg er, und die beiden konzentrierten sich auf die Fluten, die in einer Flusskurve höhere Wellen schlugen und das Gummiboot ins Schlingern brachten. Sie waren auf der Höhe der Elfenau-Fähre angelangt, Müller hatte Durst, ein gemütliches Restaurant am Aareufer hätte zum Umtrunk eingeladen, aber Coudray hatte kein Auge dafür. Hingegen erbleichte er plötzlich und sagte: »Das könnte bedeuten, dass Sie Recht haben, dass Roth ursprünglich nicht Delia Zimmermann umbringen wollte, sondern die beiden von Anfang an Sie im Visier hatten. Somit«, so schloss er, »wären wir wirklich gefährdet.«
    Falls die Angaben des Regisseurs stimmten, überlegte Müller, wäre damit eine Lücke geschlossen, nämlich das fehlende Element aus dem Müllhaufen. Natürlich hätte der Teppich kaum dort gelegen, aber die Abfallliste hatte etwas Unvollständiges, Mangelhaftes, das durch die Existenz des Wandteppichs aufgehoben wurde.
    »Trauen Sie Pierre Roth eine solche Skrupellosigkeit zu?«, fragte der Detektiv. »Falls sie mich töten wollten und ich nur deshalb verschont wurde, weil ich zu spät am Ort der Verabredung erschienen bin, was veranlasste Roth, seine Freundin zu töten?«
    »Freundin ist gut«, meinte Coudray. »Ich habe gesagt, er habe sich in Delia Zimmermann verliebt, ich habe nicht behauptet, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Wenn Sie ihre Wohnung gründlich durchsuchen, finden Sie wahrscheinlich eine Menge Mails, Liebesbriefe und kleine Geschenke.«
    »Das schließt die zweite Lücke«, sagte Müller.
    »Wie bitte?«
    »Nur eine Überlegung für die Akten, fahren Sie fort. Wie schätzen sie Roths Charakter ein?«
    »Privat habe ich ihn nicht so gut gekannt«, antwortete der Regisseur. »Bei den Filmaufnahmen war die Zusammenarbeit sehr mühsam. Geübt an der beliebigen Abfolge von Musikvideos, wollte er keine Einflüsse der Handlungen aufeinander und keine Reihenfolge mehr gelten lassen. Ich hatte den Eindruck, er stolpere durchs Leben. Auf Reize erfolgten keine Reaktionen mehr. Pierre Roth war natürlich in der Lage zu erkennen, dass er erst eine Flasche aufmachen musste, um ein Bier trinken zu können. Aber dieses Wissen war bei ihm auf die Ebene

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