Heinrich Mueller 05 - Mordswein
Büro, eine Dokumentenmappe klemmte unter seinem linken Arm. Über dem schwarz-weiß längs gestreiften Hemd trug er einen blauen Debardeur, dazu ebenfalls blaue Baumwollhosen. Fingerlange graue Haare standen vom Kopf ab. Huber machte den Eindruck, als ob die vergangenen Nächte anstrengend gewesen wären.
»Schlecht geschlafen?«, fragte der Störfahnder und bat seinen Gast, Platz zu nehmen.
»Ich schlafe seit Wochen schlecht«, antwortete Huber, »seit dem Tod von Hubert Welsch, wenn Sie es genau wissen wollen.«
»Weshalb?«
»Das ist eine dumme Frage. Wenn man einen Freund aus Kindertagen auf eine derartige Weise verliert, und nicht mal eine Woche später einen zweiten … Sie sollten sich schämen!«
»Warum nur bekomme ich bei Gesprächen mit Leuten von der Staatserhaltenden BürgerPartei immer den Eindruck, sie setzten die Maßstäbe, was Moral betrifft, und ich mache meine Arbeit nicht korrekt? Könnte es sein, dass dies eine verkappte Abwehrhaltung ist, weil Sie mir keine Antworten auf unsere Fragen liefern?«
»Bleiben wir bei den Fakten«, sagte Huber. »Was müssen Sie von mir wissen?«
»Gut«, erwiderte Spring. »Kurz und schmerzlos: Haben Sie irgendwelche Kenntnisse von krummen Geschäften, die Ihre Freunde getätigt hätten?«
»Nein.«
»Aber Sie haben Angst, selber Opfer eines Verbrechens zu werden?«
»So war es immerhin in der Tageszeitung angekündigt. Ja.«
»Aber Ihr Name stand nicht auf der Todesliste.«
»Das ist richtig. Die andern beiden allerdings auch nicht.«
»Warum sollte Ihnen jemand nach dem Leben trachten?«
»Aus demselben verqueren Grund wie bei Welsch und Knecht, das liegt doch auf der Hand«, seufzte der Angesprochene.
»Es liegt eben kein Motiv auf der Hand«, sagte der Störfahnder. »Kennen Sie eines?«
»Nein.«
»Sie sind auch nicht in illegale Geschäfte verwickelt?«
»Nein. Die Steuerbehörden prüfen regelmäßig meine Buchhaltung.«
»Da wäre noch eine andere Sache«, meinte Spring. »Es hat mit dem Text zu tun, der in der Presse veröffentlicht worden ist.«
»Leichte Mädchen und wilde Feste?«, fragte Huber mit einem Lächeln im Gesicht.
»Eher Frauen, wie sie für die Sittenpolizei interessant wären. Menschenhandel.«
Huber wich einen Schritt zurück und war wieder ganz Geschäftsmann. »Das ist ein hässliches Wort. Sämtliche Mädchen werden überprüft. Alles in Ordnung, alle mit den erforderlichen Papieren. Keine bleibt länger als erlaubt. Dafür sorge ich.«
»Aha. Der Ordnungspolitiker.«
»Ich bin Arbeitgeber, nicht Moralapostel.«
»Staatserhaltende BürgerPartei und Prostitution«, sagte Spring. »Wie passt das zusammen?«
»KMU {15} mit häufig wechselndem Personal«, brummte Huber. »Alle Belege befinden sich hier drin.«
»Sie wollen uns also nicht helfen?«
»Ich kann Ihnen nicht helfen. Wenn ich den Mörder kennen würde, hätte ich es längst getan … oder die Sache in die eigenen Hände genommen.«
»Tun Sie’s lieber nicht«, empfahl Spring und verabschiedete den Besucher.
Der Störfahnder checkte die Mails auf seinem Computer. Eines davon erregte seine Aufmerksamkeit. Die Nationalrätin Barbara Born teilte kurz und knapp mit: »Die illuminierte Handschrift ist gestern in meinen Briefkasten gelegt worden. Ich habe kein Lösegeld bezahlt. Ich bin im Gegenzug darum gebeten worden, die Anklage fallen zu lassen, und ich folge dieser Bitte. Besten Dank für Ihre Bemühungen.«
Kurz nachdem André Huber das Büro des Störfahnders verlassen hatte, trat an der Spitze eines Trosses von Ex-Schwingerkönigen Martin Wiederkehr, der Parteichef der SEBP, unangemeldet durch die Tür und knallte einen Katalog auf den Tisch. »Dobiaschofsky, fondée en 1923, Internationale Kunst«, stand auf dem Umschlag.
»Seite 17«, brummte Wiederkehr.
Spring schlug auf und bemerkte, dass es sich um einen Auktionskatalog handelte.
»Herrn Dr. Blank zum Andenken A. Anker {16} «, war in blauen Lettern auf weißem Hintergrund zu lesen. Porträtiert war Emma Blank, die Tochter von Albert Ankers Hausarzt Dr. Edward Blank, ein Mädchen, das auch für die Gotthelf-Illustration zum ›Erdbeermareili‹ Modell gestanden hatte. Aus dem Gemälde blickte ein Berner Mädchen mit vollen, leicht geröteten Wangen aus stahlblauen Augen dem Betrachter ins Gesicht. Goldblonde, hinter dem Kopf zusammengebundene Haare, ein schmales Näschen und ein Erdbeermund.
»Schön«, urteilte der Störfahnder. »Vielleicht etwas süß.«
»Es ist heute Morgen
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