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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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früherer Generationen in Form von Mythen, Sagen, Märchen und Religionen auf uns niederprasselt.«
    »Da könnten die Autoren von Lebensratgebern wie ›Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags‹ einmal ansetzen, und nicht nur an der Oberfläche der Dinge kratzen«, ergänzte Heinrich. »Statt ›Die fünf Tibeter‹ zum Beispiel ›Fünf Schritte, um die Tibeter loszuwerden‹. Natürlich nicht die echten Tibeter, sondern ihre westlichen Kasper, die ganze Straßenzüge mit Fähnchen überziehen und an jedem Ort, an dem sie sich jemals aufgehalten haben, Steinmännchen hinterlassen. Spirituelle Umweltverschmutzung.«
    Bernhard erwiderte: »Das sind Dinge, die ihren Sinnzusammenhang nur mit der Person finden, die sie gezeugt hat. Für jeden andern bedeuten sie nichts.«
    »Öffentliche Glückskekse.«
    »Aber neben dem Sammelwahn, der sich überall breitmacht und von dem man gerade dich nicht freisprechen kann, mein Lieber«, sagte Spring zu seinem Freund, »gibt es auch den gegenteiligen Trend: das Abschöpfen unseres Alltags mit Hilfe von Papierkörben, Mülleimern, Robidogs, Sperrmüllabfuhr und Recyclinghöfen.«
    »Der Sammler sucht zu sortieren, zur Seite zu legen«, rechtfertigte sich Heinrich, »wovon er glaubt, dass es nach einer angemessenen Wartefrist zum begehrten Objekt wird.«
    »Leider erlebt er es selten. Bis es so weit ist, dominiert es seinen Alltag.«
    »Ja, soll man denn alles wegschmeißen?«, entrüstete sich der Detektiv.
    »Bringt auch nichts, denn der Mensch kann sich an das Leben vor seinem eigenen nicht erinnern. Sonst wüsste er noch, wie es früher auf der Welt gestunken hat. Louis-Sébastien Mercier schildert es in seinen ›Tableaux de Paris‹ von 1782 bis 1788.« Er griff zu einem Buch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag, und las vor: »Wenn man mich fragt, wie ein Mensch es hier aushält, in diesem dreckigen Schlupfwinkel aller nur denkbaren Laster und Übel, inmitten einer von tausend fauligen Dämpfen vergifteten Luft, zwischen Schlachtereien, Totenäckern, Hospitälern, Abzugsrinnen, Urinbächen, Kothaufen, Färbereien, Lohgerbereien und Lederwerkstätten; umgeben von dem dauernden Rauch unglaublicher Holzmassen und dem Dunst der verbrannten Kohle, von arsenik-, schwefel-und pechhaltigen Teilchen, die laufend aus den Kupfer und Metall verarbeitenden Werkstätten ausgestoßen werden, so würde ich antworten, dass die Gewohnheit uns Pariser mit den feuchten Nebelschwaden ebenso vertraut macht wie mit den schädlichen Dämpfen und dem fauligen Schlamm.«
    Müller rief aus: »Das ist es. Etwas Abstand gewinnen. Die Schwachstellen ausloten. Letzthin habe ich einen Artikel gelesen über eine Sicherheitsfirma, die im Auftrag von Unternehmen die Schwachstellen prüft, indem sie eine Wanze in ein Sitzungszimmer schleust. Die Schwachstelle ist immer der Mensch. Eine vollbusige Dame mit großzügigem Décolleté erscheint mit ein paar Mitarbeitern zu Fotoaufnahmen und bückt sich vor den Sicherheitsleuten, ihr sind ein paar Gegenstände zu Boden gefallen. Sofort fokussiert der Mann, und hinter ihrem Rücken kann der Übeltäter ungestört den Betrieb betreten.«
    »Natürlich ist der Mensch die Schwachstelle an sich. Er ist es ja auch, der einen Einbruch oder einen Mord begeht. Darauf sind Computer bisher nicht gekommen«, bekräftigte Spring.
    »›Der Richter und sein Henker‹. Ich lese das Buch wieder einmal. Du kommst gegen Abend vorbei, und wir besprechen das weitere Vorgehen.«
     
    Punkt 15 Uhr stand Bernhard Spring vor dem Büro von Claude Eckstein, ›Eckstein Trading‹, in einem unscheinbaren Gebäude zwischen Güterbahnhof, Kehrichtverbrennungsanlage und Bremgartenfriedhof. Er klingelte, und unmittelbar darauf öffnete ihm eine lange, schlaksige Gestalt mit überlangen Fingern in dunkelbrauner Cordhose und -jacke, einem Hemd mit offenem Kragen in kleinen braun-weißen Karos und streichholzkurzen grauen Haaren. Er bemerkte kernige Gesichtszüge mit Längsfalten, eine lange Nase, kräftige Brauen, einen schmalen, breiten Mund. Und weit und breit keine Angestellten.
    Eckstein führte ihn in ein Hinterzimmer, denn alle andern waren überstellt mit halb geöffneten Kisten und Stapeln von Broschüren. Der Schreibtisch glich einer Müllhalde. Neben ein paar leeren Bierflaschen fanden sich Brotkrumen, eine hart gewordene Käserinde, angetrocknete Kirschkerne, gelbliche Eierschalen, ein paar Pistazien, aus einer vollen Packung herausgefallen, ein aufgerissener Joghurtbecher, in dem

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