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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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hinten. Die Elegante lächelt ihn unverbindlich an. Das Ehepaar mit den Schinkenbroten ist bei harten Eiern und einer Flasche Bier angelangt. Und ganz hinten auf der vorletzten Bank sitzt die Dame im grauen Reisekleid immer noch mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Delius hat sie bisher nicht bemerkt, sie muß wohl nach ihm eingestiegen sein; aber irgend etwas an ihr kommt ihm bekannt vor. Die Dame scheint seinen Blick zu fühlen; sie wird unruhig, tupft mit der Hand ihr Haar zurecht und dreht sich schließlich nach vorne um. Erkennt Doktor Delius und starrt ihm ins Gesicht. Ihre Augen weiten sich, ihr Herz setzt aus.
    Mit einem Ruck setzt sie sich wieder herum, streichelt zitternd ihren kleinen Hund und ruft, so leise und energisch sie kann: »Herr Reiseleiter! – Herr Reiseleiter!!«
    Der Schall trägt nicht nach vorn, aber man leitet den Wunsch weiter. und der Verlangte zwängt sich durch den Gang zu ihr hin.
    »Gnädige Frau?«
    »Bitte lassen Sie sofort halten!«
    »Halten?«
    »Jawohl, sofort!«
    »Gewiß, selbstverständlich.« Er wirft einen hilflosen Blick zum Fenster hinaus: »Gnädige Frau, darf ich dazu bemerken, wir sind hier auf freiem Feld. Aber wir können in der nächsten Ortschaft unauffällig eine kleine Pause einlegen.«
    »Ich will keine Pause, ich will aussteigen, verstehen Sie das nicht?«
    »Aussteigen, ich verstehe vollkommen. – Verzeihung, gnädige Frau, ich glaube, ich habe doch nicht verstanden.«
    »Das ist mir egal, ich finde es jedenfalls unerhört, Sie haben doch die Teilnehmerliste, wie haben Sie sich das überhaupt gedacht, wo bereits mein Mann mitfährt, das muß Ihnen doch aufgefallen sein!«
    Dem Reiseleiter geht ein Licht auf. »Ach so, vorn Herr Doktor Delius, das ist der Herr Gemahl? Verzeihung, das hätte ich mir allerdings denken können. Wenn sie nebeneinander sitzen wollen, aber selbstverständlich, ich werde das arrangieren, Augenblick bitte.«
    Er will dienstbeflissen nach vorn; Frau Delius hält ihn am Rockzipfel fest. »Sie haben immer noch nicht verstanden. Ich will aussteigen, die Reise abbrechen, das ist doch ganz einfach!«
    »Bitte sehr, aber dann muß ich die gnädige Frau darauf aufmerksam machen, daß die Fahrtkosten nicht zurückerstattet werden.«
    »Das ist mir egal, jedenfalls lasse ich mir das nicht bieten, der muß ja denken, ich laufe hinter ihm her.«
    »Ganz wie gnädige Frau befehlen; in der nächsten Stadt lasse ich halten.«
    Währenddessen hat sich Delius an den Fahrer gewendet und ihm auf die Schulter getippt: »Sie!«
    »Ja?«
    Delius beugt sich zu ihm herunter: »Sie, hören Sie mal, ich habe es mir anders überlegt, Sie müssen mich in der nächsten Stadt absetzen, vielleicht am Bahnhof. Sie können natürlich nichts dafür, aber es ist eine Frechheit von ihr. Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich besser zu Hause geblieben.«
    ***
    Vor der Korridortüre mit dem Schildchen ›Dr. Delius‹ steht der alte Oberpostrat und verschnauft. Die Treppen haben ihn angestrengt, mehr noch der Entschluss. Zögernd drückt er den Klingelknopf, und nach angemessener Zeit erscheint in der Türspalte der glatte Kopf eines Zimmermädchens:
    »Ja bitte?«
    »Erkennen Sie mich denn nicht? Ich wollte meinen Schwiegersohn sprechen.«
    »Augenblick mal.« Das Mädchen zieht den Kopf zurück. Man hört hinter der Tür erregtes Tuscheln; dann kommt der Kopf wieder zum Vorschein: »Um was es sich denn handelte?«
    Der alte Herr ist gekränkt: »Bitte sagen Sie ihm, das würde er von mir selbst erfahren.«
    Der Kopf verschwindet abermals und erscheint aufs neue: »Ob es vielleicht wegen der Scheidung wäre?«
    Der Oberpostrat braust auf. soweit es sein pensioniertes Alter zulässt: »Herrgott ja, was denn sonst? Es ist wohl an der Zeit, daß hier einmal ein vernünftiges Wort gesprochen wird. Und wenn es sonst keiner tut –«
    Das Mädchen zieht sich wieder hinter die Tür zurück, flüstert und berichtet dann weiter: »Das einzig vernünftige Wort, das – das –« Sie hat den Satz offenbar nicht behalten, holt sich erneut Weisung und bestellt: »Das einzig vernünftige Wort, das in der Sache nötig wäre, könnte jetzt nur noch das Gericht sprechen.«
    Nun wird es dem alten Herrn zu bunt. »Was sind das überhaupt für Manieren, mich hier an der Korridortür abzufertigen!« Reißt die Tür auf, schiebt das Mädchen kurzerhand zur Seite und steht vor der Schwester des Doktor Delius. »Ach so, du bist das! Ist mein Schwiegersohn nicht zu Hause?«
    Fräulein Delius

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