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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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steckt sie widerstrebend in seine Jacke.
    Der Herr hat sich erhoben und betrachtet versonnen seine Armbanduhr: »Ich komme dann in einer Stunde wieder, hoffentlich ist Ihr Chef bis dahin zurück.« Und will zur Tür.
    »Hierbleiben!« brüllt Neuß. Erst besticht der Kerl einen, und dann will er noch laufen gehn!
    Der Herr setzt sich wieder auf sein Stühlchen und grinst den verlegenen Neuß an: »Sagen Sie mal – wie heißt eigentlich Ihr Chef?«
    »Derendorf.«
    »Danke. Ich meine – mit Vornamen.«
    »Wachtmeister Derendorf!«
    »Ach ja, richtig, vielen Dank. – Franz? Oder?«
    Gladbach, vom Nebentisch, gestört durch das Gefrage: »Nee, Wilhelm!«
    Aber Neuß ist mißtrauisch geworden: »Warum wollen Sie dat wissen?«
    In diesem Augenblick erscheint Derendorf. Der Herr springt vom Stuhl: »Mensch, Willi!« Geht freudestrahlend und mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu: »Altes Mistvieh, da bist du ja! Großartig!« Und knallt Derendorf mit der brillantenstrotzenden Hand auf die Schulter, daß der starke Derendorf zusammenzuckt.
    »Behalten Sie Platz!« sagt Derendorf kühl. »In welcher Sache kommen Sie?« – Ihm ist der Herr vollkommen fremd.
    Aber der läßt nicht von ihm: »Sache? Nix Sache! Kennst du mich denn nicht mehr? Deinen alten Schulfreund? Ich bin der Schmitz! Wir waren doch zusammen auf der Schule!« Und schlägt ihm abermals auf die Schulter.
    Derendorf zieht sich hinter seinen Schreibtisch zurück. War ein Schmitz mit ihm auf der Schule? Vielleicht hat er es vergessen.
    »Willi! Weißt du denn nix mehr von unseren schönen Jugendtagen?«
    Jugendtage? Das ist lange her. Dazwischen liegen Krieg, Entlassung, Polizeischule.
    »Und was wir ausgefressen haben? – Und die komischen Lehrer?«
    Ja, komisch waren die Lehrer.
    »Und weißt du noch, der eine, der montags immer so schlechte Laune hatte?«
    Schlechte Laune hatten die Lehrer montags oft.
    »Und der mit der ulkigen Aussprache?«
    Das könnte beinahe stimmen!
    »Und der eine, den wir immer so geärgert haben?«
    An einen, den sie geärgert haben, kann Derendorf sich noch gut entsinnen. Aber ihm ist, als sei es nicht nur einer gewesen. Und er muß lächeln.
    »Na, siehste! Und mich, deinen alten Schulfreund, haste vergessen?«
    Derendorf kramt in seinem Gedächtnis: »Warten Sie mal – wie war doch Ihr Name?«
    »Schmitz.«
    Einen Schmitz hat es auf der Schule gegeben.
    »Na also! Und hier ist er nun, der Schmitz, und kommt endlich seinen alten Schulfreund Derenbach zu besuchen!«
    Derendorf tut es leid, einen Schulkameraden nicht wiedererkannt zu haben; er reicht ihm die Hand. Der andere hält die Hand fest, zieht Derendorf an sich und meint leise: »Und nun, alter Junge, werden wir uns mal privat zusammensetzen. Hier das Klima in der Wachstube, weißt du, das – vertrage ich nicht gut.« Und er sieht sich mißtrauisch nach den beiden Hilfsbeamten um, die so tun, als hörten sie nichts.
    Derendorf geleitet seinen Schulfreund aus der Wachstube, klettert mit ihm eine steile Stiege hinauf und öffnet oben eine dünne Brettertür.
    Der Schulfreund sieht flüchtig über die vier engen Wände, die schräge Decke, das Feldbett und den wackeligen Tisch: »Sehr komfortabel ist deine Dienstwohnung gerade nicht.«
    Derendorf sieht es nun selbst unter den geringschätzigen Blicken des fremden Herrn, der einmal mit ihm zur Schule gegangen ist. – »Tagsüber bin ich im Dienst, weißt du«, entschuldigt er, »und nachts schlafe ich und habe die Augen zu.«
    Der Schulfreund setzt sich in das schmale Fenster, durch das man über die Dächer der kleinen Ortschaft sieht. »Dafür hast du wenigstens eine gute Aussicht«, meint er vieldeutig, »und wie geht es dir sonst?«
    »Danke vielmals«, Derendorf hat sich auf sein Feldbett niedergelassen, »wie es einem Polizeibeamten so geht: viel Arbeit und wenig Brot.«
    Da bricht der Schulfreund in wieherndes Gelächter aus: »Polizei und nischt zu essen? Mensch, du sitzt doch an der Quelle.« Wird plötzlich leise und zwinkert Derendorf an: »Aber dumm warste schon früher nich. Spielst den armen Heini und läßt keinen in die Karten kucken.«
    Derendorf erhebt sich: »Ich glaube, wir verstehen uns nicht mehr – nach so langer Zeit. Und ich möchte dich auch nicht länger aufhalten.«
    Aber der Schulfreund bleibt sitzen: »Willi! Hab ich dir aufs Hühnerauge getreten? Wollt ich nicht, wirklich nicht. Ich dachte, du verträgst mal nen Spaß. Früher warst du doch so ein lustiger Bruder –«
    Derendorf

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