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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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winkt hinüber. Aber er bekommt keine Antwort.
    Ein paar Leute, die in der Tür standen, sind plötzlich verschwunden. Etwas befremdet nähert sich Derendorf der Baracke und blickt durch ein offenstehendes Fenster hinein: Da sitzen die Flüchtlinge vergnügt beisammen um aneinandergerückte Tische. Eine Manschaftskaffeekanne dampft aromatisch zwischen Kuchen und Krapfen. Und auf dem Boden krauchen die Kinder und stopfen sich große Brocken in die kleinen Münder. Und alles ist eitel Freude und Fröhlichkeit.
    Derendorf lehnt sich ins Fenster: »Ihr feiert wohl euere Ziegelsteine?«
    Von den Leuten antwortet keiner; sie kauen betreten weiter und drücken verlegen die Kuchenkrümel platt.
    »Wie lange braucht ihr denn noch für euer Haus?«
    Man schweigt und sieht vor sich hin. Nur die Mundharmonika spielt noch, versucht mit Hast, weiter lustig zu sein.
    Derendorf betrachtet die Kuchenberge und will mit freundlichem Lächeln den Leuten über ihre Befangenheit hinweghelfen: »Und woher habt ihr den schönen Kuchen?«
    Da verzagt auch die Mundharmonika, und selbst die Kinder werden still.
    In Derendorf steigt ein grausiger Verdacht auf; er wendet sich um und sieht hinüber zum Neubau: Der steht noch unberührt wie zuvor. Und der Platz, auf den er gestern die Ziegelsteine abladen ließ, ist wieder leer; nur ein paar Brocken liegen noch auf dem Boden. Und tiefe Radspuren zeigen den Weg, den sie zurückgefahren sind.
    Derendorf möchte böse sein und ist nur traurig.
    Aber die Flüchtlinge sind einen Tag lang glücklich gewesen! Und vielleicht tröstet ihn das.
    Ein blasser Junge läuft ihm über den Weg, beide Hände um eine Brezel geklammert. – »Schmeckt es denn wenigstens?« fragt Derendorf, und will ihm über das Flachshaar streicheln, aber der Junge birgt ängstlich seine Brezel an die Brust und läuft mit dünnen Beinen davon.
    – Die Ziegelsteine liegen wieder auf dem Bauplatz des Bäckers; und davor steht der Bäcker und reibt sich die Hände und klopft seiner Thilde anerkennend auf den Popo.
    ***
    Als der Hilfsbeamte Gladbach vom Außendienst zurückkehrt, bleibt er entsetzt in der Tür stehen: in der Wachstube stehen die Leute Schlange, und der lange Neuß ist zu einem armseligen Häufchen zusammengesunken und nimmt Protokolle auf.
    Gladbach löst seinen Kollegen ab, und die Schlange schwenkt hinüber zu seinem Tisch.
    Bitte der Nächste!
    »Ich möchte meine Anzeige zurückziehen, man kann nie wissen, was der andere nachher noch gegen einen vorbringt, beziehungsweise sich zusammenlügt.«
    Anzeigen können nicht zurückgenommen werden. Bitte, der Nächste!
    »Ich komme freiwillig wegen des Fahrrades. Das habe ich nämlich gefunden, ja – auf der Straße, und wollte es immer schon melden, damit es nicht falsch ausgelegt wird. Herbringen? Ja, nein, beziehungsweise das habe ich verkauft, beziehungsweise eingetauscht, damit es nicht wegkommt.«
    Die Tür wird aufgestoßen, Neuß erscheint wieder und schiebt vor sich her einen Herrn.
    Einen Herrn, der noch nicht lange Herr ist; eine seidene Krawatte in schreienden Farben, eitel gebauscht und mit baumelnden Enden, und der elegante Anzug scheint sich gegen seinen Träger zu wehren, der nicht zu ihm paßt. Und auf ungepflegten Fingern blitzen Brillanten.
    Neuß schiebt ihm einen Stuhl hin: »Sie müssen warten bis der Chef kommt.«
    »Wieso warten? Ich verlange demokratische Behandlung!«
    »Demokratisch dauert dat noch länger.«
    »Ich meine das anders!« flüstert der Herr, »mehr so unter vier Augen!«
    »Unter vier Augen?« wiederholt Neuß so laut, daß es jeder hört. »Enä, dat hat bei uns aufjehört. Warten Sie mal schön, bis dat unser Chef kommt.«
    Der Herr setzt sich, schlägt die Beine übereinander, zieht aus der Brusttasche eine dicke Zigarre mit Banderole, beißt die Spitze ab und spuckt sie ins Zimmer. Drückt die Zigarre wohlgefällig zurecht, entzündet sie mit einem vergoldeten Patentfeuerzeug, bläst den Rauch zu Neuß hin und beobachtet heimlich die Wirkung.
    Neuß schnuppert den köstlichen Qualm. »Rauchen ist hier verboten!« raunzt er.
    Der Herr macht ein unschuldiges Gesicht: »Aber Sie rauchen doch selbst!«
    »Ich?« Neuß faßt sich an den Mund, findet seine Pfeife zwischen den Zähnen und läßt sie knurrend in der Hosentasche verschwinden.
    Der Herr zieht aus der Brusttasche noch zwei weitere Zigarren und hält sie Neuß unter die Nase. Neuß windet sich in Versuchung. Nimmt dann die eine der Zigarren, dann auch die zweite, und

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