Heinrich Spoerl
mich entschlossen, die Bearbeitung des Falles Ihnen zu übertragen. Ich tue es in der Überzeugung, daß er gerade bei Ihnen in ausgezeichneten Händen liegt. Regierung und Hofmarschallamt legen auf die schnelle Ermittlung des Täters den allergrößten Wert. Wenn Sie es schaffen, mein lieber Treskow, werde ich nicht verfehlen, an allerhöchster Stelle –«
Treskow hört die bedeutungsvollen Worte seines Vorgesetzten wie aus weiter Ferne. Er ist noch nicht ganz bei sich; bei jeder Bewegung schmerzt ihm der Kopf, und der Marktplatz schwankt leise. Aber er weiß, worum es geht. Die Augen der Welt sind auf ihn gerichtet.
In den Straßen werden bereits die Extrablätter ausgerufen.
***
Treskow hat nach Hause telephoniert, Frau Elisabeth hat mit Trude darüber gesprochen, Billa hat es aufgeschnappt und nebenan erzählt, nun wissen es alle und sind stolz auf ihren Staatsanwalt und seine Mission. Es ist kein Amtsgeheimnis, morgen wird es in der Zeitung stehen: Die Ermittlungen liegen in den bewährten Händen des Staatsanwalts von Treskow.
Trotzdem war er nicht restlos glücklich. Er ging steil und vorsichtig umher und durfte den Kopf nicht bewegen; sein Gehirn schien zu klein geworden und ballerte schmerzhaft in der Knochenschale, und jedes Haar tat ihm einzeln weh. Ein Glück, daß sie nicht zu üppig wucherten; dafür waren sie hart und blondgelb und säuberlich parallel gelegt, ein getreues Abbild seines geordneten Innern.
Was war gestern? Wann war er heimgekommen? Oder hatte man ihn gebracht? Er wußte nichts vom Ende des Abends, es war Traum und Nebel. Er schämte sich. Er hätte um zehn gehen sollen, anstatt sich mit diesen liederlichen Kumpanen herumzufechten und ein Wettsaufen zu veranstalten.
Jetzt hatte er glühendes Blei im Kopf und nicht einmal Zeit zu guten Vorsätzen und heilsamen Betrachtungen. Er riß sich zusammen, hielt sich mit Kaffee und Hühnerbouillon in Gang und ging mit verbissener Energie an seine bedeutungsvolle Arbeit. Sie fing gleich mit Ärger an.
Dieser Kriminalkommissar Mühsam muß immer etwas Besonderes haben. Er will an der Maulkorbsache seinen neuen Polizeihund ausprobieren, sie sei wie geschaffen für ihn, und außerdem hat das Tier inklusive Stammbaum fünfhundert Mark gekostet. Und wenn es nichts wird, ist weiter nichts verloren. Treskow sieht das gewissermaßen ein, aber er ist beleidigt, daß er nicht selbst auf den Gedanken gekommen ist. Natürlich läßt man sich nichts merken. »Wenn die Herren von der Kriminalpolizei auf Hundenasen bauen, ich meinerseits halte mehr vom Menschengehirn.« Ging auf sein Büro und quälte seinen Kopf.
Inzwischen wird Sedan, der preisgekrönte Airedale, in Betrieb gesetzt. Man gibt ihm Maulkorb und Denkmal zu riechen; er beschnüffelte es von allen Seiten ausgiebig und pflichtgemäß und tut wichtig, sein Stummelschwänzchen zittert vor Eifer. Dann umkreist er das Denkmal, die Nase zwei Millimeter über dem Boden. Alles hält den Atem an. Wird es, wird es nicht? Plötzlich bleibt Sedan stehen, läuft zurück, schnuppert kreuz und quer und im Kreise, nimmt eine Fährte auf und schießt davon. Kriminalpolizei und Zuschauer hinterdrein. Mühsam glänzt. Er wird!
Aber es ist eine merkwürdige Fährte, die das Tier verfolgt. Sie geht in breitem Zickzack von der einen Straßenseite auf die andere, umkreist einen Laternenpfahl, macht an einem Baum unmotivierten Halt und windet sich in seltsamen Kurven und Schleifen. Mühsam ist blaß vor Lampenfieber. Die Leute grinsen. Ist das Biest besoffen?
Sedan läßt sich nicht beirren. Er weiß, was er seiner Stellung und seinem Stammbaum schuldig ist. Er schlängelt sich durch die Poststraße, biegt unerwartet in die Luisenallee ein und schießt zielstrebig auf das Hans Nummer 23 los. Er scheint seiner Sache sicher; in der Haustür bleibt er breitbeinig und wie aus Erz gegossen stehen, blickt freudig an der Haustür empor und erwartet seine wohlverdiente, würstliche Belohnung. Ein blitzblankes Messingschild verkündet in gravierten Buchstaben:
Herbert von Treskow
Staatsanwalt
Derweil saß Treskow und arbeitete an seinem Feldzugsplan.
Der geräumige Schreibtisch und die beiden Aktenböcke waren leer geräumt. Sein Dezernat war unter die Kollegen aufgeteilt, er war Maulkorb-Sonderdezernent, und auf der weiten, blanken Tischplatte lag einsam und anspruchsvoll das schicksalsschwere Aktenstück.
Gegen: Unbekannt.
Wegen: Majestätsbeleidigung.
Das »Unbekannt« war vorsichtshalber mit Bleistift
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