Heinz Strunk in Afrika
Schritttempo weiter. Alliance Safari Hotel. Nyali Grand Casino. Mombasa Continental Hotel. Mungo Casino. Medical Care Center. Velvet Casino. Hier kommt keiner lebend raus, denke ich. Dann, endlich: Nyali Beach Hotel + Spa, vor dem ein aus drei Musikern bestehendes Begrüßungskomitee wartet. Auf mich. Dschingdarassassa, peinlich, dass man so ein Aufhebens macht. Ich bedanke mich mit einer angedeuteten Verbeugung und gehe zur Rezeption, wo mich
Steve
freudestrahlend in Empfang nimmt:
«Jambo.»
«Hello.»
Das Einchecken dauert ewig. Wart, wart, wart. Von irgendwoher debiles Pfeifen. Das Stück kenn ich doch! Gleich hab ich’s. Das kenn ich doch. Endlich fällt der Groschen:
Gimme hope, Jo’anna
von Eddy Grant. Wenn ich hier Chef wäre, würde ich dem Personal verbieten, während der Arbeit zu pfeifen. Und dann noch einen solchen Schrott.
«Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna, gimme hope, Jo’anna …»
Kurze Pause. Mach schon, denke ich. «’fore the morning come» muss es weitergehen. Wenn es schon so ein gruseliges Stück sein muss, dann bitte wenigstens zu Ende flöten. Von wegen. Von vorn:
Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna, gimme hope, Jo’anna.
Das war’s. Steve ist außergewöhnlich langsam.
Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna, gimme hope, Jo’anna.
Offenbar bin ich in einem Irrenhaus gelandet. Entschuldigend mit den Schultern zuckend, händigt mir Steve den Schlüssel aus, der an einem Holzelefanten von ungefähr fünfzehn mal fünfzehn, ach was, zwanzig mal zwanzig Zentimetern Durchmesser baumelt. Ewiges Ärgernis Hotelschlüssel.
Gimme hope, Jo’anna, gimme … hope, Jo’anna. Gimme hope, Jo’anna.
Wie hält Steve das nur den ganzen Tag aus? Egal. Er deutet nach links, erklärt, mein Zimmer mit der Nummer 32 befinde sich im
Dumbohaus C
, geradeaus durch die Halle, dann links bis zur
Patestreet
, könne man gar nicht verfehlen. Übermorgen um elf gebe es some information and a welcome drink. Ich habe bisher noch alle Welcomedrinks verfallen lassen, denke ich, und gehe einer ungewissen Zukunft entgegen. Dumbohaus, verarschen kann ich mich am allerbesten immer noch allein.
Nyali Beach
Die in Einfachbauweise erstellten Dumbohäuser sind dreistöckige, weißgetünchte Klötze, die sich fächerförmig bis zum Strand erstrecken. Flachdach, außen verlaufendes Treppenhaus, sehr kleine Fenster. Luken. Bullaugen. Zimmer 32 liegt im zweiten OG . Mir schlägt eine stechende Nikotinwolke entgegen. Dabei bin ich doch Nichtraucher! Bis der Geruch verflogen ist, braucht es mindestens eine Woche, vielleicht auch zwei. Mit dem Licht schaltet sich automatisch die Klimaanlage ein. Der Raum ist gespickt mit Aschenbechern. Aschenbecher, Aschenbecher, Aschenbecher, Aschenbecher, Aschenbecher, sage und schreibe fünf Stück, positioniert auf den beiden Nachtschränkchen, der Vitrine, dem Fernseher und dem Tisch.
Das Interieur in den Modefarben Grau, Braun und Beige ist nach erster Inaugenscheinnahme mindestens zwanzig Jahre alt. Das einzig Bunte, Schöne, Fröhliche im Raum ist eine Schale mit Frischobst. Minibar Fehlanzeige. An den Wänden hängen
Black Whole Pictures
(eigene Wortschöpfung), Bilder ohne Inhalt, beliebig, austauschbar – kaum schaut man weg, hat man sie schon wieder vergessen –, die den Betrachter in ein unendliches Nichts hineinziehen. Der Balkon soll laut Leistungsbeschreibung Seeblick haben. Aber wo? Schlickwüste, so weit das Auge reicht, vom verdammten Wasser keine Spur, offenbar ist der Indische Ozean ein ausgesprochenes Gezeitenmeer. Auf dem Tisch eine krisselige Fotokopie mit einem sehr großen Fisch. Überschrift «Endlich da: Buckelwale». Verstehe ich nicht. Ich verstaue meine wenigen Habseligkeiten im Kleiderschrank. Huch! Auf dem untersten Einschub kauert bewegungslos ein Salamander. Oder Echse. Oder Lurch. Rätsel Tier-/Pflanzenwelt. Ich kann gerade mal einen Elefanten von einer Kuh und eine Eiche von einer Birke unterscheiden. Vielleicht ist der grüngraue Plastiklurch das Wappentier des Landes, eine Art Schutzpatron. Aber im Schrank? Ich setze die Inspektion im Nassbereich fort: grauer, welliger Linoleumboden, graue Kacheln, Badewanne (Farbe Manhattan) mit eingefrästem Schmutzrand, marode, schwergängige Armaturen. Föhn Fehlanzeige. Shampoo Fehlanzeige, Bodylotion Fehlanzeige, lediglich ein winziges, eingeschweißtes Stück Kernseife liegt in einem Kernseifeschälchen. Ich klappe den Toilettendeckel hoch. Zum Scheißen
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