Heinz Strunk in Afrika

Gründen eine Ampel aufgestellt hat, denn das Verkehrsaufkommen liegt auch tagsüber bei ungefähr null. Ein schlechter Witz, eine Schikane oder die Spende eines reichen kenianischen Geschäftsmanns. Seit Inbetriebnahme dürfte C. der erste Mensch sein, der sich an die
Phase
hält. Rot. C. wartet. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Rot. C. wartet geduldig. Rot. C. wartet immer noch. Die Rotphase dauert jetzt schon mindestens eine Minute. Hinter uns Geschnatter und Gelache, Gelärme und Gekreische. Ich drehe mich um, Jugendliche in Partylaune. Sie laufen über die Straße. C. schüttelt heftig mit dem Kopf und bellt ihnen hinterher: «Regelverstoß!» Ein muskelbepackter Hüne dreht sich um und schaut uns drohend an: «What?»
    C., unbeirrt, wütend: «Regelverstoß!» Um die Situation halbwegs zu retten, lache ich. Der Hüne, im Bewusstsein, es mit harmlosen Spinnern zu tun zu haben, lacht freundlich zurück und setzt seinen Weg fort. C., verständnislos: «Regelverstoß! Was gibt’s da zu lachen?»
     
    Das
Nyali Grand
ist, wie der Name schon sagt, groß. Geradezu riesig. Im vorderen Bereich stehen die Automaten, hinten werden Roulette, Black Jack und Poker gespielt. Wir bleiben vorn. C. und ich spielen ausschließlich Automaten. Viele Nächte haben wir schon nebeneinandersitzend vor blinkenden Zaubermaschinen zugebracht, kauernd in ewiger, stummer Zwiesprache. Also nicht ein oder zwei Stunden, sondern fünf oder sechs oder acht oder neun. Unser Rekord liegt bei dreizehn Stunden ununterbrochenen Spielens. Wenn man uns so zuschaut, muss es jedem Außenstehenden unbegreiflich bleiben, was wir am Automatenspiel finden: Betongesicht, glasige Augen, eingefallene Schultern, ununterbrochenes, verzweifeltes Seufzen und Durchschnaufen – weniger Vergnügen, Fun, Spaß, Freude, Begeisterung können zwei einzelne Menschen nicht ausstrahlen. Zwillingsstudien in Sachen Trübsal.
    In der Casinohierarchie, wenn’s denn eine gibt, stehen Automatenspieler auf der alleruntersten Stufe, Unberührbare, die selbst beim Personal als arme Schweine gelten. Die Gewinnchancen sind verheerend niedrig. Nicht selten lösen sich 10 000 Euro binnen sechzig Minuten in Luft auf. Selbst lächerlichen Kleingewinnen gehen zermürbende Durststrecken voran, unendlich sich dehnende Phasen, in denen nichts, rein gar nichts passiert und der Spieler in einen Zustand unermesslicher Verzweiflung gerät. Aber wenn etwas kommt, dann oft richtig. Also richtig viel. Und genau das macht den Reiz aus: Nie weiß man, wann und in welcher Höhe ein Gewinn einläuft. Während der Höchstgewinn beim Black Jack das Eineinhalbfache und beim Roulette das Sechsunddreißigfache des Einsatzes beträgt, kann es bei Automaten das VIELTAUSENDFACHE sein. In den zur
Spielbank Hamburg
zusammengeschlossenen Casinos beispielsweise sind bestimmte Automaten zu einem Jackpot verbunden. Eine Leuchtschrift kündet von dessen Höhe, einmal stand er bei schwindelerregenden 1,4 Millionen Euro. So, Äuglein gespitzt, denn jetzt kommt’s: Wenn beim Höchsteinsatz von 15 Euro auf ALLEN DREI GEWINNLINIEN DIE ROTEN SIEBENEN einlaufen, geht eine Sirene los und kündet vom Höchsten, Schönsten, Erhabensten, Wunderbarsten und Herrlichsten, was einem Spieler je widerfahren kann:
    DER JACKPOT IST GEKNACKT !
    IM BRUCHTEIL EINER SEKUNDE IST ALLES GLÜCK DIESER WELT DESTILLIERT IN DEN ROTEN SIEBENEN .
    Wenn in letzter Sekunde, mit den letzten Euros DIE ROTEN SIEBENEN EINLAUFEN , öffnet sich die Tür zum Paradies. Dem Nichtspieler bleibt diese Tür für immer verschlossen, wie dem Nichttrinker die andere Tür. Aber das unfassbare Glück widerfährt einem leider beknackterweise im Grunde genommen nie.
    Das alles wissen Automatenspieler, und es interessiert sie einen Scheißdreck. Darüber hinaus sind Automaten perfekte Gleichgültigkeitsmaschinen. Meditation, Stilllegung des Gehirns, selbstgewählter Stumpfsinn, der Verstand zieht sich aus der Welt zurück. Allerdings ist Automat nicht gleich Automat gleich Automat gleich Automat. C.s große Leidenschaft gehört dem Spiel
Lucky Lady’s Charm
, im Fachjargon Kugelautomat oder einfach nur
die Kugeln
genannt, ein Maschinchen, das leider längst nicht überall zu finden ist.
    Typischer Dialog zwischen C. und mir:
    «Was ist, Bursche, hast du
die Kugeln
schon entdeckt?»
    «Nein.»
    Nervös schreitet er die etwa einhundert Gurken ab. Kugelautomat Fehlanzeige, die Maschinen sind hoffnungslos veraltet. In unserer Not entscheiden wir uns