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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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hätten ja bekanntlich ein gestörtes Wärme-Kälte-Empfinden. Das Leben besteht aus der Summe nicht ausgeheilter Krankheiten, denke ich, behalte es jedoch für mich.
    Langes, müdes Schweigen.
    «Glaubst du, den afrikanischen Kontinent in seiner ganzen Komplexität bereits durchdrungen zu haben?»
    Er erwartet keine Antwort. Weiter:
    «Schau. Das Meer. Es ist tiefer, als man denkt, und reicher an Erinnerungen. So weiten sich die Bilder.»
    Er beugt seinen Oberkörper vor und zieht die Badehose bis unter den Bauchnabel.
    «Ich sehe schrecklich aus.»
    «Ach was, du siehst aus wie immer. Für einen Mann in den Vierzigern siehst du sogar sehr gut aus. Und die zwei, drei Kilo bist du im Handumdrehen wieder los.»
    Er greift sich in die Hüfte und knetet an der Schwarte herum.
    «Im Sitzen fällt es noch viel mehr auf, wenn man zugenommen hat.»
    «Je fetter man ist, desto weniger Badewasser braucht man.»
    «Sehr witzig. Dir ist also auch aufgefallen, dass ich zugenommen habe. Ich habe mich vorhin sehr lange im Spiegel betrachtet und einen Schreck bekommen. Müde. Alt. Von Kummer gezeichnet. Ich bin keiner, mit dem man sich noch amüsieren mag.»
    «Ach, komm, jetzt übertreibst du. Das ist nur wegen des neuerlichen Krankheitsschubs. Ich fühle mich hervorragend von und mit dir unterhalten.»
    «Ja, du. Aber was ist mit den Girls? Für die bin ich ein alter Mann. Der Sex differenziert die Menschen auf erbarmungslose Weise, selbst am entlegensten Ort der Welt. Wenn man nicht mehr begehrt wird, lohnt es sich nicht mehr zu leben. Zu begehren und nicht begehrt zu werden, ist der Inbegriff des Schrecklichen. Bald sind auch wir völlige Nichtse, ich gebe uns noch fünf Jahre. Höchstens.»
    «Ach, erst mal abwarten, wie es wirklich kommt.»
    «Was redest du da? Ich schneide ein seriöses Thema an, und du antwortest mit Platituden.»
    «Jaja. Frohe Weihnachten.»
    Stille. Schweigen. Wellenplätschern. Er zündet sich eine Zigarette an, zieht den Rauch ein, der in tiefsten Tiefen verschwindet und dann nach einem Moment in kleinen Wölkchen wieder hervorquillt. Das Endziel der Reise zerbröckelt langsam, kommt mir in den Sinn. Welches Endziel? Vier Tage müssen wir noch durchhalten. C. hält die Augen geschlossen. Von Fliegen umsummt, fiebernd. Heiligabend verschlafen, stummer Protest gegen Jesus. Da er voraussichtlich bis in den Nachmittag hinein dämmern wird, werde ich meinen Weihnachtsschmaus wohl alleine genießen müssen.
     
    Vorsorglich sende ich ihm eine SMS : «Bin zum Mittagstisch. Komme gleich wieder.» Vor dem Gift-Shop steht ein mannsgroßer Weihnachtsmann. Ich mache ein Foto und verschicke die MMS als Weihnachtsgruß genau siebenunddreißigmal. BU (Bildunterschrift): «Jungle Bells». Wer Humor hat, versteht’s, wer keinen hat, soll sich einen anderen Freund suchen. Beim Essen treffe ich auf Familie Flodder, die die gleiche, trübe Vorstellung wie beim letzten Mal geben: Die Eltern mampfen, was das Zeug hält, Dustin trödelt und bekommt den Teller weggezogen. Herr Flodder hat die Beine unter dem Tisch weit gespreizt, er ist die Gemeinheit in Person, roh, unüberwindlich, dumm. Seine Art zu essen ist abstoßend, die Finger, die wie runzlige Krallen aussehen, umklammern die Hähnchenkeulen, als wollte er damit jemanden totschlagen. Seine Zähne säubert er mit dem Zeigefinger, wobei er wie ein Schimpanse die Oberlippe zurückzieht. Wenn er die nackten Unterarme vom Tisch nimmt, gibt es jedes Mal ein klebrig ziehendes Geräusch. Frau Flodder hat sich tatsächlich Dreadlocks flechten lassen. Sie blättert in der
Gala
und studiert voller Genugtuung eine Doppelseite mit den OP -Narben gelifteter Gesichter, Speckwaden und Celluliteoberschenkeln Prominenter in Nahaufnahme. Seht her, scheint sie zu triumphieren, wenn die nicht Geld genug hätten, sich alle naslang liften und operieren und absaugen und anti-agen zu lassen, würden sie
exakt
so aussehen wie ich!
     
    Ich stelle für meinen kranken C. einen Teller mit seinen Lieblingsspeisen zusammen. Das Thema Regentschaft hat sich zum Glück wg. Krankheit erledigt. Mir ist noch kein einziger Affe über den Weg gelaufen, seltsam. Vielleicht werden die zu Weihnachten weggesperrt, als Aufmerksamkeit des Hauses zum Fest. C.s Kopf liegt schlaff auf seiner Brust, er röchelt leise. Ich halte ihm eine Pommes unter die Nase, noch im Halbschlaf beißt er ab und tastet nach meiner Hand.
    «Geh, Heinzi, das ist lieb. Hast du deinem Freund etwas zu essen geholt.»
    «Ja, und eine

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