Heirate nie einen Italiener
verschwinden.
Als sie den Kopf senkte, fiel Helen auf, dass der Blick durch die Scheibe plötzlich eigentümlich getrübt war. Sicherlich regnet es mal wieder, erklärte sie es sich. Erst als sie sich umdrehte und immer noch alles verschwommen war, wurde ihr der wahre Grund bewusst.
Nach einem endlos langen Flug landeten sie in Rom. Zu Lorenzos Erleichterung erreichte er den Anschluss nach Palermo. Trotzdem war es später Abend, als er endlich wieder heimischen Boden unter den Füßen hatte.
Als er die Flughafenhalle betrat, erwarteten ihn Heather und Renato. Die Wiedersehensfreude war groß, und Renato ließ sich sogar dazu hinreißen, seinem kleinen Bruder ein großes Kompliment für die vielen Bestellungen zu machen, die in der Zwischenzeit aus den USA eingegangen waren.
In der Familienvilla wartete Lorenzos Mutter Baptista schon sehnsüchtig auf ihren Jungen, und selbst Fede, ihre Jugendliebe, der ihr im Alter ein unverzichtbarer Freund geworden war, reichte ihm gerührt die Hand.
“Spann uns nicht länger auf die Folter”, unterbrach Baptista die langwierige Begrüßung. “Erzähl uns endlich von Elena.”
“Da gibt es nicht viel zu erzählen, Mamma”, erwiderte Lorenzo ausweichend. “Sie ist eine sympathische junge Frau, mit der ich mich gut verstehe. Nicht mehr und nicht weniger.”
“Willst du mich für dumm verkaufen?”, protestierte seine Mutter empört. “Zufällig weiß ich, dass du sie am ersten Abend in aller Öffentlichkeit geküsst und die vergangene Woche fast ausschließlich mit ihr verbracht hast. Also versuche nicht, mir weiszumachen, dass du sie nichts weiter als sympathisch findest.”
Lorenzo strich sich nervös durchs Haar. Dass die beiden Mütter in telefonischem Kontakt standen, wunderte ihn nicht. Doch damit, dass sich Neuigkeiten und Gerüchte derart schnell und detailliert über den Ozean verbreiteten, hatte er nicht gerechnet.
“Wenn es doch stimmt, Mamma?”, wandte er unsicher ein. “Dass ich Helen in den letzten Tagen so oft gesehen habe, hatte in erster Linie berufliche Gründe – selbst wenn wir dabei viel gelacht haben.”
“Wer zum Teufel ist Helen?”, fragte Baptista verwundert.
“Helen und Elena sind ein und dieselbe Person”, erklärte Lorenzo gereizt. “Sie zieht die anglisierte Form ihres Namens vor. Und wenn es dir recht ist, würde ich mich jetzt gern ein wenig frisch machen.”
Seiner Mutter war unschwer anzusehen, dass sie seine Antwort eher für eine Ausflucht hielt. Gleichwohl sah sie ein, dass ihr Sohn nach der langen Reise nicht in der Verfassung war, ihr Rede und Antwort zu stehen. Sie entließ ihn mit einem Blick, der Lorenzo deutlich machte, dass die Unterhaltung unterbrochen, jedoch nicht beendet war.
“Wo ist eigentlich Bernardo?”, erkundigte er sich, nachdem er sich geduscht und umgezogen hatte.
“Der ist seit Tagen wie vom Erdboden verschluckt”, teilte ihm Renato mit.
“Ich dachte, er hätte sich während meiner Abwesenheit mit Angie ausgesöhnt”, sagte Lorenzo verwundert. “An Mammas Geburtstag ist er doch trotz des Schneesturms nach Montedoro gefahren, weil Angie aus Sorge um ihre Patienten nicht kommen konnte. Das hätte er doch nicht getan, wenn sie ihm nichts bedeutete.”
“Das sehe ich genauso, mein Junge”, stimmte Baptista ihm zu. “Als ich Angie angerufen habe, um sie zu fragen, ob er heil angekommen ist, saß er sogar in ihrer Küche.”
“Gleich am nächsten Morgen ist er aber wieder aus Montedoro verschwunden”, ergänzte Heather, “und seither fehlt jede Spur von ihm.”
“Unser Bruder wird offensichtlich nie erwachsen”, setzte Renato hinzu. “Schon als Junge hat er sich immer versteckt, sobald ihm etwas über den Kopf zu wachsen drohte.”
Renatos spöttische Bemerkung ließ Lorenzo hellhörig werden. Er war der Einzige, der wusste, wohin sich ihr Halbbruder früher zurückgezogen hatte, weil er ihm eines Tages heimlich gefolgt war. Doch um seinem Verdacht augenblicklich nachzugehen, war er viel zu müde.
Den nächsten Vormittag verbrachte er im Büro seines älteren Bruders, der über alle Details der Reise genauestens informiert werden wollte – jedenfalls die geschäftlichen, wie Lorenzo erleichtert feststellte, als er das Zimmer endlich verlassen konnte. Denn anders als seine Mutter hatte Renato ihm Fragen nach Helen erspart.
Es war bereits später Nachmittag, als er in Montedoro ankam. Dr. Angela Wenham schloss gerade ihre Praxis und war sichtlich überrascht, als Lorenzo aus seinem
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