Heirate nie einen Italiener
Einzige, die dabei war, als die Signora mit Ihrem Verlobten telefoniert hat.”
“Und was ist so schlimm daran, wenn Heather mit Lorenzo telefoniert?”, fragte Helen lachend.
“Eigentlich nichts”, erwiderte Sara. “Doch damals hatte sie gerade erst Renato geheiratet. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie der reagiert hat, als er erfuhr, dass seine Frau Hals über Kopf dem Mann nachgereist war, der sie erst kurz zuvor auf schmählichste Weise hat sitzen lassen.”
“Reden Sie wirklich von Lorenzo Martelli?”
“Ja”, bestätigte Sara. “Er hat Ihnen doch sicherlich erzählt, dass er vor Ihnen mit Signora Heather verlobt war.”
“Mit wem war er verlobt?” Helen glaubte sich verhört zu haben.
“Mit Signora Heather”, wiederholte Sara. “Sie ist nach Sizilien gekommen, um seine Frau zu werden. Doch am Hochzeitstag war er plötzlich verschwunden. Sie war schon auf dem Weg zum Altar, als ihr ein Junge einen Brief brachte, in dem Lorenzo sie um Verzeihung bat.”
“Das kann unmöglich stimmen!”, platzte Helen heraus. “Heather wäre doch augenblicklich nach England zurückgekehrt und hätte nicht Renato geheiratet!”
“Signora Baptista hat ihr keine andere Wahl gelassen.”
“Was hat denn Baptista damit zu tun?”
“Sie hat die Ehe mit Renato arrangiert, um die Familienehre wiederherzustellen. Eine Liebesheirat war es jedenfalls nicht. Sonst hätte die Trauung nicht schon wenige Wochen später stattgefunden. Und wie der Anruf beweist …”
Unvermittelt unterbrach sich Sara und lächelte Helen an. “Ich habe Sie mit meinem Geschwätz lange genug aufgehalten.”
Helen wusste, dass dies die letzte Chance war, das Ganze für die Erfindung eines gekränkten Hausmädchens zu halten, das sich für seine Entlassung rächen wollte. Doch das Gift war in ihr Herz gedrungen.
“Was hatte es mit diesem Anruf auf sich?”, fragte sie unter Qualen.
“Kurz nach der Hochzeit rief Signore Lorenzo aus London an”, erzählte Sara. “Ich habe Signora Heather ans Telefon gerufen. Sie hat mich zwar aus dem Zimmer geschickt, doch von der Tür aus konnte ich hören, wie sie sagte, dass sie sich beeilen wolle, um die Nacht an seiner Seite verbringen zu können. Dann hat sie ihre Koffer gepackt und ist abgereist, ohne ihrem Mann eine Nachricht zu hinterlassen.”
Die letzten Worte hörte Helen kaum noch, weil sie für die Herzlichkeit und Vertrautheit, die sie vom ersten Tag an zwischen Heather und Lorenzo beobachtet hatte, plötzlich eine Erklärung zu haben glaubte. Und die brachte die Welt um sie her derartig ins Wanken, dass sie sich an ihren Stuhl klammern musste, um nicht die Besinnung zu verlieren.
“Wussten Sie das denn nicht?”, erkundigte sich Sara, als sie Helens entsetzten Gesichtsausdruck sah.
“Nein”, erwiderte Helen bestimmt. Mit einer schier unmenschlichen Kraftanstrengung gelang es ihr, sich zusammenzureißen. Sie wollte sich vor Sara nicht anmerken lassen, wie es in ihr wirklich aussah. “Das wusste ich in der Tat nicht. Um ehrlich zu sein, interessiert es mich auch nicht.”
“Das braucht es auch nicht”, stimmte Sara freundlich zu. “Schließlich war das alles vor Ihrer Zeit, und Signore Lorenzo hat die ganze Angelegenheit längst vergessen.”
“Bestimmt hat er das”, erwiderte Helen. Weil sie wusste, dass jedes weitere Wort sie in den Wahnsinn treiben würde, rang sie sich ein Lächeln ab, stand auf und ging, ohne sich zu verabschieden.
Sara lehnte sich zufrieden zurück. Seit ihrer Entlassung hatte sie überlegt, wie sie sich für die Ungerechtigkeit schadlos halten könnte. Die Gelegenheit dazu war gänzlich unverhofft gekommen, doch sie hatte in Sekundenschnelle reagiert und sie beim Schopf gepackt. Nun sollte die Familie Martelli sehen, wie sie damit zurechtkam.
Helen wusste selbst nicht, wie sie in ihr Zimmer in der Villa gelangt war. Sie schloss die Tür hinter sich ab und legte sich aufs Bett, um Ordnung in das Chaos zu bringen, das in ihrem Kopf herrschte.
Doch die Hoffnung, dass Sara sich alles ausgedacht hatte, schwand im demselben Maße, in dem Helen Indizien fand, die das Unfassliche zumindest wahrscheinlich machten.
Das wichtigste Indiz hatte ihr Heather persönlich geliefert, und zwar gleich am ersten Tag. Da hatte sie begonnen, von ihrer Ankunft auf Sizilien zu erzählen, um sich dann jäh zu unterbrechen, als sie merkte, dass sie Gefahr lief, den Namen des Mannes zu nennen, dessentwegen sie gekommen war. Offensichtlich war ihr erst in diesem
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