Heirate nie einen Italiener
zurück. Die Familie saß bereits beim Essen, und Lorenzo wirkte fast ein wenig ungehalten darüber, dass Helen sich verspätet hatte.
Aufgeregt berichtete sie von ihren Erlebnissen und erntete anerkennende Blicke. Selbst Renato ließ sich zu einem Lob hinreißen. “Respekt, junge Frau”, sagte er anerkennend. “Ich wusste gar nicht, was für einen außergewöhnlichen Fang Lorenzo mit dir gemacht hat.”
Besser hätte er nicht ausdrücken können, wie Helen zumute war. Jeder am Tisch schien davon auszugehen, dass sie auf Sizilien bleiben und über kurz oder lang eine Martelli werden würde. Doch so wohltuend die Selbstverständlichkeit war, mit der sie aufgenommen worden war, fühlte sich Helen tatsächlich wie ein “Fang”, den man in einen Käfig gesperrt hatte – und dass der vergoldet war, machte das Eingesperrtsein bestenfalls erträglicher.
Wie sich am Nachmittag herausgestellt hatte, liebte Helen ihre Arbeit viel zu sehr, um sie einfach aufzugeben. Und dass ihr das versagt bleiben musste, wenn sie Lorenzo heiratete, stand so fest wie die Mauern des Castello di Farini.
8. KAPITEL
A xel Roderick war ein rundlicher, gemütlicher Mann in den Fünfzigern. Seine Position in der Firma verdankte er weniger eigenen Leistungen als vielmehr seiner Begabung, talentierte und hoch motivierte Mitarbeiter um sich zu scharen.
Als Helen ihm auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt von ihren Ideen für das neue Elroy erzählte, lud er sie gleich zum Abendessen ein. Noch vor dem Dessert fragte er sie, ob sie nicht an dem Projekt mitarbeiten wolle, und zwar als seine persönliche Assistentin.
Helen überlegte nicht lange und nahm das Angebot mit Freuden an. In den letzten Tagen hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie sie sich verhalten sollte. Einerseits wollte sie auf Sizilien bleiben, um in Ruhe abzuwarten, wie sich ihre Beziehung zu Lorenzo entwickelte. Andererseits wollte sie alles vermeiden, was nach einer Vorentscheidung in dieser oder jener Richtung aussah. Mit Axels Angebot war ihr die Lösung des Problems geradezu in den Schoß gefallen.
Dank ihrer Vorarbeiten waren nur noch wenige Formalitäten zu erledigen, bis die Umbauarbeiten beginnen konnten. Es sprach daher nichts dagegen, dass Helen ihre Arbeit erst nach Baptistas Hochzeit aufnahm.
Zur Trauung trug die Braut ein schlichtes Seidenkleid und als einzigen Schmuck ein Perlencollier, das Fede ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Als sie die Kathedrale von Palermo betrat, wurde sie von drei Brautführern begleitet. Die Söhne hatten sich die Ehre, ihre Mutter zum Altar zu führen, gegenseitig streitig gemacht, bis Helen vorgeschlagen hatte, sie sollten sich die Aufgabe teilen. Baptista hatte begeistert reagiert und Helen seitdem endgültig in ihr Herz geschlossen.
Als sie Fede das Jawort gab, wirkte die alte Dame wie eine junge Frau, die ihr Glück kaum fassen konnte. Vierzig Jahre lang hatte sie auf diesen Tag gewartet, und auch wenn ihr Leben alles in allem erfüllt gewesen war, hatte Helen das eigentümliche Gefühl, dass es erst in diesem Moment wirklich begann.
Nichts anderes galt für Federico, der auf Druck ihres Vaters Sizilien hatte verlassen müssen und auf dem Festland eine Familie gegründet hatte. Trotzdem hatte er zeit seines Lebens immer nur Baptista geliebt.
Während der Zeremonie sah Helen unwillkürlich zu Lorenzo, der sie offensichtlich beobachtet hatte. Sein Blick schien ihr sagen zu wollen, dass er dieselbe unverbrüchliche Liebe für sie empfand und sich nichts sehnlicher wünschte, als es vor dem Altar zu bekunden.
Helen sah verlegen zu Boden, doch insgeheim musste sie zugeben, dass sie in diesem Moment genauso empfand.
Im Anschluss an die Trauung fuhr die Hochzeitsgesellschaft zur Villa der Martellis, wo das Brautpaar geduldig mehrere Reden über sich ergehen ließ. Vor allem Fede schien es unangenehm zu sein, derartig im Mittelpunkt zu stehen.
Helen hatte diesen zurückhaltenden Mann, der wenig sprach und dem nichts entging, vom ersten Moment an gemocht. Vor allem nahm es sie für ihn ein, dass er für die gemeinsame Zukunft mit dem geliebten Menschen nicht nur seinen Beruf aufgegeben, sondern sich trotz aller Vorbehalte dazu durchgerungen hatte, sein Haus in Palermo zu verkaufen und fortan in der Villa zu leben.
Nachdem der offizielle Teil des Empfangs beendet war, ging sie zu Fede, um ihm zu gratulieren.
“Ich will nicht undankbar sein”, schüttete sie ihm ihr Herz aus, “aber die Herzlichkeit, mit der mich die
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