Heirate nie einen Italiener
gutem Wetter stattfinden würde, für eine denkbar schlechte Begründung hielt.
Helen wäre es lieber gewesen, nichts zu übereilen. Sie kannte Lorenzo doch erst kurze Zeit und musste sich nicht nur an eine neue Familie, sondern darüber hinaus an ein neues Land gewöhnen. Weil sie aber keine Möglichkeit sah, Baptista ihre Bedenken verständlich zu machen, willigte sie schließlich ein.
Liebend gern wäre sie wenigstens Angies Beispiel gefolgt und hätte in einer kleinen Dorfkapelle im engsten Familienkreis geheiratet. Das genaue Gegenteil stand ihr bevor: Die Vorbereitungen für die Trauung in der Kathedrale von Palermo liefen auf Hochtouren, und die Gästeliste umfasste mehrere Seiten. Allein aus New York hatten sich so viele Personen angekündigt, dass es sich beinahe lohnte, ein eigenes Flugzeug zu chartern.
Je näher der Hochzeitstermin rückte, desto größer wurde ihr Wunsch, sich mit Lorenzo irgendwohin zurückzuziehen, wo niemand sie aufstöbern konnte. Entsprechend enttäuscht war sie, als Renato seinen kleinen Bruder nach Frankreich schickte, damit er Termine wahrnahm, die unmöglich bis nach den Flitterwochen warten konnten, die sie auf der
Santa Maria
, Renatos schneeweißer Segeljacht, verbringen wollten.
Helen war zu sehr Geschäftsfrau, um das nicht einzusehen. Dennoch bekam sie immer mehr das Gefühl, ein Phantom zu heiraten.
Sie selbst arbeitete bis drei Tage vor der Hochzeit und verabschiedete sich von ihren Kollegen in der Gewissheit, in drei Wochen als Signora Martelli an ihren Schreibtisch zurückzukehren.
Begleitet von den besten Wünschen ihrer Kollegen und einigen Tipps, wie sie sich gegen Seekrankheit schützen könnte, verließ Helen das Büro. Es war ein wundervoller Nachmittag, und spontan beschloss sie, einen Spaziergang durch den Hafen zu machen.
An der Mole lag die
Santa Maria
und zerrte an den Leinen, als könnte sie es kaum erwarten, in See zu stechen. Als Helen die majestätische Jacht sah, stellte sich endlich jene Vorfreude ein, die sie so lange vermisst hatte. In wenigen Tagen würden Lorenzo und sie an Bord gehen, und abgesehen von der Crew wäre niemand da, der ihre Zweisamkeit stören konnte.
Der Gedanke hatte sie der realen Welt so sehr entrückt, dass sie die junge Frau gar nicht bemerkte, die hinter ihr stand. Als Helen sich unvermittelt umdrehte, stieß sie mit ihr zusammen und sah zu ihrem Entsetzen, dass sie ins Stolpern geriet und schließlich aufs Pflaster fiel.
“Es tut mir so leid”, entschuldigte sie sich und half ihrem Opfer beim Aufstehen. “Sind Sie verletzt?”
“Ich glaube nicht”, erwiderte die junge Frau und erhob sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Doch sobald sie sah, mit wem sie zusammengestoßen war, hellte sich ihre Miene schlagartig auf.
Auch Helen erkannte sie sofort wieder. “Sara”, begrüßte sie das Hausmädchen der Martellis, das sich bei ihrer Ankunft um ihr Gepäck gekümmert hatte. “Darf ich Sie auf eine Tasse Kaffee einladen?”
Sie fanden einen schattigen Platz auf der Terrasse einer Bar. “Ich habe mich schon gefragt, warum ich Sie in letzter Zeit so selten in der Villa gesehen habe”, sagte Helen, nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatte. “Machen Sie Urlaub? Oder haben Sie eine bessere Anstellung gefunden?”
“Weder noch”, erwiderte Sara bitter. “Signora Heather hat mich entlassen, während ihre Schwiegermutter im Krankenhaus war.”
“Warum das denn?”, fragte Helen erstaunt.
“Genau weiß ich es selbst nicht. Ich vermute, dass es mit Ihnen und …”
Sara unterbrach sich, als hätte sie an ein Tabu gerührt – und damit Helens Interesse erst richtig geweckt.
“Mit mir?”, vergewisserte sie sich ungläubig. “Wollen Sie damit sagen, dass ich an Ihrer Entlassung schuld bin?”
“Natürlich nicht”, entgegnete Sara. “Und wenn, dann nur indirekt. Die Signora hat es sicherlich nur gut gemeint. Schließlich heiraten Signore Lorenzo und Sie in wenigen Tagen, und da wollte sie nicht riskieren, dass Sie an diese leidige Geschichte erinnert werden.”
“Welche leidige Geschichte?” Saras Worte machten Helen zunehmend ratlos. “Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was Sie meinen?”
“Ich möchte nicht, dass Sie auch noch wütend auf mich sind.”
“Welchen Grund sollte ich haben, wütend auf Sie zu sein?”, wandte Helen ein. “Sie haben mir doch nichts getan.”
Sara schien offensichtlich überzeugt, denn sie lächelte Helen an, bevor sie sich endlich einen Ruck gab. “Ich bin die
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