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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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also, ich hab halt jetzt dummerweise kein Zimmer mehr, aber unten im Kaminzimmer könnt ihr euch einfach aufs Sofa hauen. Bettzeug geb ich euch. Und ich sag den Italienern Bescheid, dass ihr euch heute Abend ein bisschen unter die Leute mischt. Dass ihr Gäste seid. Esst, trinkt, macht, was ihr wollt. Am besten, ihr probiert mal alle Gerichte am Buffet durch, dann könnt ihr für euer Fest schon mal ein bisschen planen.«
    Er stellte seine Tasse auf dem Couchtisch ab und hatte es plötzlich sehr, sehr eilig, uns unser Bettzeug zu übergeben.
    »Komm schon«, stupste ich Georg an, als wir vor der Wäschekammer warteten. »Ist doch lustig, auf einer völlig fremden Party zu sein!«
    Georg grummelte irgendwas in sich hinein.
    »Na komm!«
    Georg grummelte etwas von Gianna Nannini, bemühte sich aber um ein Lächeln, als Jo mit der Bettwäsche kam.
    »Ach so, ja, ich würde dann noch 25 Euro für die Übernachtung und 25 für Essen und Getränke nehmen.«
    Verwirrt zog ich meinen Geldbeutel aus der Tasche und drückte ihm einen Fünfziger in die Hand.
    »Pro Nase!«, sagte Jo.

    »Ach, scheiß doch auf das Geld«, sagte ich, als wir am hintersten Ende der Bar Platz nahmen. »Wir saufen uns jetzt die Hucke voll, futtern uns durchs Buffet und mischen uns unter die Leute.«
    Georg grummelte schon wieder. Er hasst es, auf Partys von Leuten zu gehen, die er nicht kennt. Vor allem, wenn sie Italiener sind. Er hat mal ein Wochenende bei der Biennale in Venedig verbracht, wo ihn ein befreundeter Journalist in eine »echte Local-Bar« mitgenommen hat. Dort ist er nach dem siebten Negroni an einen Schnösel mit Lackfrisur geraten, der es wohl ein klein wenig unpassend fand, dass Georg mit stierem Alkoholblick versonnen den Hintern seiner Begleitung betrachtete. Die Narbe am Kinn, die er von dieser Begegnung davongetragen hat, zeigt er mir immer wieder; dann muss ich oooh machen und so tun, als sei sie nicht so winzig klein, dass man sie kaum erkennen kann. Egal. Seit dem Abend in Venedig hat er mit dem Thema Italien abgeschlossen. Er hasst Italiener fast so sehr, wie er die Bayern hasst. Das einzige Italienische, was er akzeptiert, sind Speisekarten, in denen Ossobuco und Risotto Milanese aufgeführt sind. Risotto Milanese vor allem. Er liebt Fleisch, er liebt Safran, er liebt Rindermark. Am liebsten pur, auf knusprigem Baguette. Rindermark! Würg.
    »Glas Sekt?«
    »Aber immer doch!«
    Immerhin schien er fest entschlossen, das Beste aus unserem unfreiwilligen Partybesuch zu machen und sich zu betrinken. Und immerhin schien niemandem aufzufallen, dass wir mit der Geburtstagsgesellschaft nichts zu tun hatten. Der Festsaal füllte sich langsam, ohne dass wir weiter beachtet wurden, es gab kein Gemunkel, keine fragenden Blicke. Allein die Italiener aus der Eingangshalle erkannten uns wieder. Sie riefen begeistert »Yo! Yo!« und winkten uns zu sich an den Tisch. Wir schüttelten verzweifelt lächelnd die Köpfe und taten schleunigst so, als würde etwas Hochinteressantes auf der Cocktailkarte stehen.
    »Der Sekt war bei Ihnen?«, fragte der Barmann.
    »Yo!«, antwortete Georg mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    Wir stießen an und beobachteten, wie die italienische Party langsam in Fahrt kam. Reden wurden gehalten, Toasts ausgegeben, eine Gruppe älterer Frauen führte ein offenbar lustig gemeintes Ballett auf, anschließend reihten sich sechs Männer mit dem Rücken zum Publikum auf und ließen aus unerfindlichen Gründen gleichzeitig die Hosen runter. Wir rätselten, wer das Geburtstagskind sei, aber wir kamen nicht darauf. Wir fanden auch keine Erklärung dafür, warum gut hundert Italiener zu einem Fest nach Deutschland reisten, und wozu sie so ein luxuriöses Schloss brauchten, wenn sie am Ende doch nur komische Grapsch-Spiele spielten. Wir bemerkten nur, dass wir langsam Hunger bekamen, und waren heilfroh, als zwei Spiele später das Buffet eröffnet wurde. Eigentlich hatten wir uns ja vorgenommen, uns höflich zurückzuhalten, bis sich alle »echten« Gäste bedient hatten, aber inzwischen war es zehn Uhr abends, in unseren Mägen fauchten bereits je zwei Sekt und ein Riesling, und so reihten wir uns inErwartung köstlicher Antipasti in die Schlange der Gäste ein, die am Buffet anstanden.
    Das Brötchen, das ich mir aus dem großen Korb am Anfang des langen Tisches angelte, war leicht wie ein Pingpongball und fühlte sich schon zwischen den Fingern staubig an. Der Mozzarella mit den holländischen Wintertomaten und dem

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