Heiraten für Turnschuhträgerinnen
zusammen und fuhr zu einem Papierkorb, der in der Nähe der Ausfahrt stand.
»Und als Nächstes?«, fragte er.
»Als Nächstes haben wir Glück!«
Hatten wir aber nicht. Wir fuhren durch Wald und Feld, besichtigten Schlösser und Gutshäuser und Gutshäuser und Schlösser, aber jedes Mal beschlich uns schon auf demParkplatz das Gefühl, dass irgendetwas nicht passte. Und so war es dann auch. Mal war der Festsaal zu klein, mal die Luft zu miefig, mal waren die Zimmerpreise jenseits von Gut und Böse. Aber inzwischen versuchten wir nicht mal mehr, trotz irrwitziger Preise oder miserabler Ausstattung höflich Interesse zu heucheln. Wir hatten gelernt, dass es keinen Sinn macht, irgendwelchen Gutshofbesitzern und Schlossverwalterinnen etwas vorzumachen. Locations besichtigen ist so etwas wie Shopping: Egal, wie viel Zeit man in der Umkleide verbracht hat, man lässt sich die Teile, die nicht passen, nicht zurücklegen, sondern drückt sie der Verkäuferin vor der Umkleide wieder in die Hand – und geht, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Inzwischen sieht Georg so aus, als würde er am liebsten ins Lenkrad beißen vor Frust. Es ist aber auch wirklich unglaublich, dass aus extrem dichtem Schneefall noch extrem dichterer werden kann – dass immer noch mehr Flocken in die Luft passen. Man könnte glauben, irgendwo im Himmel sei ein Wasserrohr explodiert, genau über unseren Köpfen. Und die Zeit, sie rast uns in einer Geschwindigkeit davon, die sich umgekehrt proportional zu unserem Sommerreifen-im-Schneematsch-Tempo verhält. Es ist inzwischen schon Viertel nach fünf, und wir haben noch nicht einmal eine Ahnung, wo wir sind.
»Die Frau Messmer ist nur noch eine Viertelstunde lang da, Georg. Selbst wenn Beetzow da vorne an der nächsten Ecke liegt: Wir kommen zu spät.«
»Glaub ich nicht«, sagt Georg genau in dem Moment, als wir zufälligerweise ein Straßenschild mit der Aufschrift »Merwelitz« passieren.
»Da stand ›Merwelitz‹«, sage ich, obwohl ich weiß, dass er das Schild selbst gesehen hat.
»Hab ich selbst gesehen! Kannst du lieber mal raussuchen, wo das ist? Wozu hast du denn die Karte!«
Herrje! Inzwischen kann man Georgs Laune nur noch mit sehr viel gutem Willen als schlecht bezeichnen. Wenn nicht bald etwas passiert, dann besorgt er sich eine Knarre und läuft Amok. Oder sagt, noch schlimmer, am Ende gar die ganze Hochzeit ab! Völlig verzweifelt blättere ich mich durch das Ortsverzeichnis unseres Falk-Plans.
»E 15«, rufe ich und blättere wieder in den Kartenteil zurück. Ich suche mit dem Finger die Ortsnamen ab und seufze schließlich: »Vergiss es.«
»Was, sind wir so falsch?«
»Nein, fast gar nicht. Wir sind nur einfach noch fünfzig Kilometer entfernt von Beetzow.«
Georg schweigt, ich schweige. Schweigend starren wir in den Schnee, der uns entgegentänzelt, als ob nichts wäre.
»Okay«, sagt Georg schließlich. »Ruf da an und sag, dass wir morgen früh kommen, aber diesmal sicher.«
»Am besten, ich frage sie auch gleich, ob sie ein Hotel im Ort weiß. Oder in der Nähe. Dann fahren wir da jetzt hin, essen, schlafen und stehen morgen so zeitig auf, dass gar nichts mehr dazwischenkommen kann!«
»Kluges Kind«, sagt Georg.
Frau Messmer ist ein bisschen düpiert darüber, dass wir den Termin schon wieder verschieben, aber als ich sie auf das Schneechaos auf den Straßen hinweise, wird sie etwas milder und empfiehlt uns einen Gutshof im Nachbarort. Bei dem Wort Gutshof dreht sich mir nach den Erlebnissen der letzten zwei Tage zwar schlagartig der Magen um, aber ich wage es nicht, mich nach unserer Unzuverlässigkeit jetzt auch noch kompliziert zu geben. Ich lassemir von Frau Messmer die Nummer des Hotels geben und verabschiede mich so schleimig, dass unser Wagen gleich wieder ins Schlittern kommt. Na ja, immerhin scheint sie jetzt versöhnt.
»Und?«, fragt Georg, als ich das Gespräch beendet habe.
»Sie hat uns irgendeinen Gutshof Waldeck empfohlen.«
»Noch ein Gutshof? Oje.«
»Na ja, irgendwie bleibt uns nichts anderes übrig, oder hast du Lust, heute noch zwei Stunden durch die Provinz zu gondeln, um irgendein anderes Hotel zu suchen? Ich hab jetzt schon Hunger.«
»Weil du nicht anständig gefrühstückt hast.«
Ich versehe ihn mit einem Linda-Evangelista-Blick.
»Soll ich da jetzt anrufen oder nicht?«
»Tut mir leid. Ja, ruf da einfach an.«
Die Warteschleifenmusik ist eine zierliche Klavier-Fantasie von Mozart, die sogar ich erkenne, dazu flötet eine
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