Heiraten für Turnschuhträgerinnen
getrockneten Basilikum sah irgendwie ausgewaschen aus. Der Kartoffelsalat war mit Majo angemacht, der Blattsalat mit Cocktailsoße aus dem Eimer. Georg und ich gingen von Station zu Station, wir mussten uns nicht ansehen, um zu wissen, wie enttäuscht der jeweils andere war. Unsere Teller blieben leer. Es ging schleppend voran, offenbar waren wir die Einzigen in der langen Schlange, die so wählerisch waren. Die Italiener griffen mit gesundem Appetit sogar zu den Wiener Würstchen. Endlich machte ich in wenigen Ellbogenlängen Entfernung geradezu appetitlich aussehende Chicken Wings aus. Innerlich begann ich bereits zu jubilieren, doch als wir das Blechtablett erreicht hatten, lag nur noch ein einziger, kläglicher Flügel darauf. Ich überließ ihn Georg, denn der sah nicht nur saumäßig hungrig, sondern auch völlig verzweifelt aus.
»Italien hat seine guten Zeiten einfach hinter sich«, jammerte er leise. »Und eines schwör ich dir: Bevor wir unsere Hochzeitsreise nach Italien machen, fahre ich lieber nach Bayern!«
Wütend griff er sich die einzige Frikadelle, die nicht verbrannt war, und löffelte sich mit beleidigtem Gesicht Ketchup darauf. Ketchup nimmt er wirklich nur im alleralleräußersten Notfall! Ich schöpfte mir etwas von dem Chili con Carne auf den Teller, das dabei war, in einer elektrischen Party-Gulaschkanone aus schwarzem Plastik zu verenden, denn schließlich ist es zwar schwer, ein gutesChili zu machen, aber genauso schwer, es wirklich zu versauen. Schwer, aber nicht unmöglich, wie ich feststellen musste. Das Zeug schmeckte, als würde man versuchen, ein schmutziges Backrohr mit der Zunge sauber zu lecken, nur ein bisschen schärfer. Ich ließ den Löffel in den Teller fallen und blickte neidisch auf Georgs Frikadelle. Doch der bestellte unmittelbar nach dem ersten Bissen ein Beck’s, das er mit wenigen Schlucken austrank.
O nein. So einfach würde ich mir dieses Schloss nicht vermiesen lassen. Mir fiel ein, dass Lala etwas von einem Catering-Service erzählt hatte, der bei dieser Stylistinnen-Hochzeit ebenso preiswertes wie köstliches Essen geliefert hatte. Thai-Food, Fingerfood, mediterrane Häppchen. Doch als ich Georg davon erzählte, schüttelte er störrisch den Kopf.
»Ohne mich. Vergiss den Laden hier einfach. Hier würd ich nicht mal meinen Polterabend machen. Das Einzige, was man hier feiern kann, ist eine Abriss-Party!«
Wohlgemerkt: Er saß auf einem Arne-Jacobsen-Stuhl, als er das sagte!
»Ach komm, Schatz, du musst aber doch zugeben, dass die Location großartig ist! Ich hab vorhin gedacht, man könnte hier sofort …«
»… einen Porno drehen«, fiel er mir ins Wort. Ich musste an Jos dreckige Lache denken. Wahrscheinlich hatte Georg recht. O weh!
»Quatsch!«, sagte ich trotzdem. »Ich dachte eher an einen Spot für Calvin Klein.«
»Mit dem Plüsch? Und diesem Lüsterzeugs? Gina Wild, allenfalls«, schnaubte Georg.
Grundgütiger! Er hätte mir auch gleich sagen können, dass er Schlösser schrecklich findet!
Aber ich wollte nicht aufgeben, obwohl ich nach derDiskussion kurz davor war. Nicht wegen ein paar Frikadellen.
»Komm, alle sind am Essen«, versuchte ich, noch mal Schwung in die Sache zu bringen. »Der ideale Zeitpunkt, eine kleine Geheimmission zu den Zimmern zu unternehmen!«
Wir schlichen uns in den Schlaftrakt und begegneten: dem Grauen. Wir sahen Zimmer ohne Türen, die nur durch festgenagelte Stofffetzen voneinander abgetrennt waren. Schlafsäle mit vierzehn Matratzen. Duschräume ohne Kabinen. Dreck. Es war kalt. Es war zugig. Staubige Zementsäcke lehnten in den Ecken. Es wirkte, als hätte sich jemand vorgenommen, das Schloss zu renovieren, um dann, kurz nachdem er mit dem großen Saal fertig geworden war, wieder aufzugeben. Zu dieser Ruine hier verhielt sich der »Festsaal« im Gutshof vom Nachmittag wie das Hotel Burj Al Arab in Dubai zu einem Hamburger Hafenstraßen-Haus. Ich dachte an meinen ehemaligen Professor, der versprochen hatte, zu meiner Hochzeit auf alle Fälle im Smoking zu erscheinen. Ich dachte an die Perlohrringe von Clara, die mir den Texter-Job bei dieser Kosmetikfirma zugeschanzt hat. Ich dachte an meine Schwiegereltern. Ich dachte an meine Mutter. Und dann fiel mir meine Schimmelpilzallergie wieder ein. Sofort spürte ich, wie mich am ganzen Körper ein Jucken befiel.
»Raus hier«, sagte ich, aber da zog mich Georg auch schon am Ärmel zur Tür.
»Hätten wir uns ja denken können«, sagte Georg kauend, als wir eine
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