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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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dabei aber nicht so poliert wie die anderen Schlösser, die wir gesehen hatten, sondern eher leicht demoliert: ein heruntergekommener Salon, ein schummrig beleuchteter Billardraum, alles gerade so morbid,dass es einen besonderen Charme hatte. Ich war begeistert, Georg jedoch machte ein Gesicht, als wolle ihm jemand die Weisheitszähne ziehen. Gut, natürlich sah es nicht gerade so aus, dass man das Bedürfnis gehabt hätte, unbedingt vom Boden essen zu müssen, aber …
    »Ja, und hier gibt’s dann das Dinner«, sagte Jo und stieß die Flügeltüren zum Festsaal auf.
    »Ooooh!«
    Ein Lichtermeer tat sich auf. Von außen hatte das Schloss schon wie Disneyland im Winter ausgesehen, mit seinen Türmchen, Giebelchen und Erkerchen, aber dieser Anblick hier übertraf das um Längen! Prächtige Kronleuchter glitzerten über festlich gedeckten, großen runden Tischen, die großzügig über den Saal verteilt waren. Stuck, Säulen, Spiegel, riesige Sprossenfenster, die auf eine Veranda führten. Am Kopfende des Raums befand sich als perfekter Stilbruch eine Bar, die ganz im sozialistischen Barock der Sechzigerjahre gehalten war. Ein Porträt von Mao hing neben dem Flaschenregal. Extrem lässige Lederbarhocker. Der Saal hätte ohne Umbauten für einen Chanel-Werbespot getaugt. Für ein Vogue -Shooting mit Kate Moss. Für eine Party von David Lynch.
    »Tässchen Kaffee?«
    »Gern!«
    Wir nahmen in roten Arne-Jacobsen-Sesseln Platz, die sehr einladend in einem Erker arrangiert waren. Jo brachte uns Espresso, der gar nicht übel schmeckte.
    »Das tut gut!«, seufzte er, als er den ersten Schluck aus der Tasse genommen hatte. Sein Gesicht veränderte langsam die Farbe: von Zombiegrau zu Vampirbleich. Er wirkte schon fast wieder lebendig.
    »Ja«, stimmte ich zu, »grad bei dem Wetter.«
    »Wetter?« Er spähte aus dem Fenster und ließ den Mundoffen stehen, als er die Schneemassen sah. »Wow! Seit wann geht das denn so?«
    »Seit zwei Tagen«, sagte Georg und sah mich vorwurfsvoll an. Als sei ich daran schuld, dass der Typ die letzten Nächte durchgefeiert hatte!
    »Also, wie funktioniert das hier?«, wollte ich wissen, und Jo erklärte, dass man das Schloss wochenendweise mieten könne, der Preis gelte pauschal für alles inklusive Schlafräume und Festsaal, dazu käme eine Pauschale für Getränke, außerdem habe er einen guten und günstigen Koch fürs Buffet an der Hand. »Und wenn wir das Ganze ohne Rechnung machen«, sagte Jo und senkte die Stimme wie ein Dealer in der Hasenheide, »kriegt ihr obendrauf noch fünfzehn Prozent Rabatt. Bei Barzahlung zwanzig.«
    Zum ersten Mal fragte ich mich, wie es sein konnte, dass so ein halbseidener Westentaschenmafioso in den Besitz dieses Schlosses gekommen war. War er ein wohlstandsverwahrloster Erbe? Hatte er eine Amphetamin-Küche im Keller? Oder gar die Leiche des echten Schlossherrn? Mir wurde langsam unwohl bei der Sache. Ich meine, ich bin wirklich nicht obrigkeitshörig. Aber ich bin auch nicht kriminell . Andererseits: Ich bin korrumpierbar, vor allem, wenn alter Stuck im Spiel ist, sodass ich, statt das Gespräch abzubrechen, aufzustehen und zu gehen, Jo verschwörerisch zublinzelte und flötete:
    »Super! Und hundert Gäste sind kein Problem?«
    »Nee, gar nicht. Also, hier in den Saal passen 120 Leute rein, und die Zimmer, na ja. Sind halt nicht nur Doppelzimmer, ne? Aber ihr seid ja noch jung, wa?«
    Ich stutzte.
    »Was heißt das, nicht nur Doppelzimmer?« Ich versuchte, ganz harmlos zu klingen, aber in Wirklichkeit fühlte ich mich so locker wie ein gefrorener Wasserfall.
    »Na ja, ein Teil der Zimmer sind Mehrbettzimmer, aber macht euch keine Sorgen, für Braut und Bräutigam haben wir ein sehr elegantes Schlafgemach, mit einem Doppelbett, auf dem man, na ja …« Er lachte dreckig.
    Ich verzog das Gesicht und hoffte, dass es wie ein Grinsen aussah. Außerdem machte ich mir keine Sorgen um Braut und Bräutigam, die immerhin schon mal im Laderaum eines Kombis miteinander geschlafen hatten, wenn auch sehr betrunken. Ich machte mir Sorgen um unsere Gäste. Auch Georg schien etwas zu ahnen.
    »Vielleicht können wir mal einen kurzen Blick in die Zimmer werfen?«
    «Ou – gaaaanz schlecht gerade«, wiegelte Jo ab. »Also, eigentlich wäre das natürlich überhaupt kein Problem, aber das Schloss ist ja heute vermietet, ne, und da kann ich euch nicht einfach in die Zimmer der Leute lassen.«
    »Oh, ich dachte, wir könnten hier übernachten?«, fragte Georg.
    »Jaja, genau,

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