Heiratsmarkt
Gefährtin hatte ihn zwar geblendet, doch behielt er einen vagen Eindruck von einer selbstbewussten jungen Frau mit einer sanft geschwungenen Nase und freundlichen Augen zurück. Er glaubte nicht, dass sie leicht irrezuleiten war. Weitere Überlegungen überzeugten ihn davon, dass Alverstoke gar keinen Versuch machen würde, mit ihren Gefühlen zu spielen. Es war unwahrscheinlich, dass ein so berühmter Kenner der Schönheit wie Alverstoke ihr auch nur einen zweiten Blick gönnen würde. Und noch viel unwahrscheinlicher war es, dass er um ihretwillen in irgendeiner Weise einen Finger rührte.
Nach einigen Tagen, in denen Seine Gnaden sie nicht erwähnte und ihr schon gar nicht einen Vormittagsbesuch abstattete, sah es allmählich so aus, als habe er sich entweder entschlossen, sie zu ignorieren - oder er hatte ihr Dasein überhaupt vergessen. Mr. Trevor war sich seiner Pflicht bewusst, ihn zu erinnern, doch hielt er sich mit dem Gefühl, der Augenblick sei ungünstig, zurück. Seine Gnaden war gezwungen, drei Besuche zu ertragen - zwei von seinen älteren Schwestern und einen von der verwitweten Mutter seines Erben die ihn derart gelangweilt hatten, dass sämtliche Angehörigen seines Haushalts sich hüteten, ihn wütend zu machen.
„Denn ich versichere Ihnen, Mr. Wicken", sagte der hochnäsige Kammerdiener Seiner Gnaden herablassend zum Butler Seiner Gnaden, „wenn er gereizt wird, kann Seine Gnaden einen ziemlichen Wirbel veranstalten, wie man so sagt."
„Das weiß ich sehr gut, Mr. Knapp", erwiderte sein Kollege, „da ich nun einmal Seine Gnaden schon von der Wiege auf kenne. Er erinnert mich an seinen Vater, den verstorbenen Lord, aber den kannten Sie natürlich nicht", fügte er hinzu, um jede Anmaßung im Keim zu ersticken.
Seine Lordschaft war tatsächlich schwer geprüft worden. Lady Buxted - keine Frau, die eine Niederlage hinnahm - war unter dem fadenscheinigsten Vorwand in Begleitung ihrer ältesten Tochter ins Alverstoke-Palais gekommen. Diese war dann schließlich, da es ihr nicht gelungen war, das Herz ihres Onkels durch Schmeichelei zu erweichen, in Tränen aufgelöst. Sie gehörte jedoch nicht zu jenen wenigen glücklichen Frauenzimmern, die weinen konnten, ohne abscheulich auszusehen, deshalb war er für ihre Tränen ebenso unempfänglich wie für den Bericht seiner Schwester über die beengten Verhältnisse, in die sie erniedrigt worden war. Nur die Armut, erklärte Lady Buxted, hatte sie gezwungen, sich an ihren Bruder um Beistand in der überaus wichtigen Pflicht zu wenden, ihre teuerste Jane in die Gesellschaft einzuführen. Ihr Bruder hingegen gab zurück - und sprach mit äußerster Liebenswürdigkeit dass Geiz und nicht Armut das richtige Wort sei. Worauf Ihre Gnaden die Beherrschung verlor und ihm, wie es James, der Erste Lakai, der in der Halle wartete, seinem unmittelbaren Untergebenen gegenüber ausdrückte, eine gehörige Szene machte.
Als zweite Besucherin Seiner Gnaden erschien Mrs. Dauntry. Auch sie war, wie ihre Base Lady Buxted, Witwe; auch sie teilte deren Überzeugung, es sei Alverstokes heilige Pflicht, für ihre Sprösslinge zu sorgen. Damit aber war die Ähnlichkeit zwischen den beiden Damen auch schon zu Ende. Lady Buxted wurde - von gewöhnlichen Leuten - häufig als eine Vogelscheuche bezeichnet; niemand aber hätte einen solchen Ausdruck auf Mrs. Dauntry anwenden können, die eine Erscheinung von äußerster Zerbrechlichkeit war und mit edler Tapferkeit alle ihr auferlegten Prüfungen ertrug. Als Mädchen war sie eine bekannte Schönheit gewesen, aber ein Hang, sich von Klagen anstecken zu lassen, hatte sie zu dem Glauben verführt, dass sie eine kränkliche Konstitution habe. Und nicht lange nach ihrer Hochzeit begann sie -wie es Lady Jevington und Lady Buxted unfreundlich formulierten -, an sich herumzudoktern. Der allzu frühe Tod ihres Gemahls hatte ihre schlechte Gesundheit besiegelt. Sie unterlag nervösen Störungen und fing mit einer Reihe von Kuren und Diäten an. Und weil dazu so traurige Heilmittel wie Ziegenmolke (gegen eine eingebildete Schwindsucht) gehörten, war sie bald auf geisterhafte Ausmaße zusammengeschrumpft. Mit vierzig widmete sie sich schließlich ihrer Kränklichkeit so intensiv, dass sie, wenn ihr nicht gerade eine verlockende Unterhaltung geboten wurde, den größten Teil ihrer Tage anmutig auf ein Sofa hingegossen verbrachte, mit einer armen Verwandten zur Pflege und neben sich einen mit Flaschen und Fläschchen beladenen Tisch, die
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