Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiratsmarkt

Heiratsmarkt

Titel: Heiratsmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
Vom Netzwerk:
konnte. Der Fahrer stieß das Fahrzeug mit den Füßen am Boden vorwärts. Geübte Leute konnten ein erstaunliches Tempo erreichen, wenn sie, bewundernswert balancierend, die Füße vom Boden hoben und, zum Staunen der Zuschauer, schnell dahinsausten. Jessamy hatte einen dieser Experten mit dem Fahrzeug im Park gesehen und wollte das sofort ebenfalls ausprobieren. Sein abenteuerlustiges Gemüt, das seine Pferde vermisste und sich gegen die selbst auferlegte Lebensordnung strengsten Studiums auflehnte, flammte rebellisch auf. Hier war, wie Jessamy erkannte, das Mittel, in dem er, ohne Frederica in zusätzliche Ausgaben zu stürzen, ein Ventil für seine gehemmte Tatkraft finden und der Welt vorführen konnte, dass sein widerlicher kleiner Bruder nicht der einzige Merriville war, der genügend Schneid zu gefährlichen Unternehmungen aufbrachte. Jessamy entdeckte mehrere Schulen, in denen man die neue Kunst lehrte und die bereit waren, ihre Maschinen an geübte Schüler zu vermieten. Es dauerte nicht lange, bis er einer dieser Meisterschüler wurde und es wagte, von der Schule auf einer gemieteten Maschine wegzufahren, um sie durch den Verkehr in stillere Straßen zu lenken. Lufra begleitete ihn auf diesen Ausflügen, ein Umstand, der Jes-samys Schwestern zu der befriedigten Annahme verführte, er habe seine strenge Regel um des treuen Hundes willen gelockert. „Weshalb es mich schließlich doch freut, dass wir Luff nach London mitgenommen haben", sagte Frederica und fügte kichernd hinzu: „Und auch, dass er die Kühe im Green Park gejagt hat und Jessamy deshalb glaubt, einem Frauenzimmer könne man ihn nicht anvertrauen. Sonst hätte ihn doch nichts von seinen Büchern weggelockt!"
    Jessamy war noch bubenhaft genug, um seine Geschwister mit seiner unvermuteten Geschicklichkeit verblüffen zu wollen, und verriet ihnen daher nichts von seinem neuen Steckenpferd. Sowie er sich gut im Gleichgewicht halten konnte und das Gefühl hatte, das Laufrad zu meistern, wollte er am Haustor vorfahren und seine Schwestern herausrufen, damit sie seine Geschicklichkeit sehen konnten. Mitunter war das Aufsteigen etwas schwierig, und das durfte er einfach nicht verhauen -
    besonders, falls Felix ihm ebenfalls zuschauen sollte. Daher verbrachte Jessamy mehrere Stunden damit, diese Kunst zu üben, und drang dann, als Abschlusstest, bevor er sich vor seinen Geschwistern produzierte, kühn in den belebteren Teil der Stadt vor. Er kam so gut zurecht, dass er der Versuchung nicht widerstehen konnte, den langen Abhang von Piccadilly hinunterzurasen, beide Füße waghalsig vom Gehsteig hochgehoben. Dieses Kunststück erregte große, teils bewundernde, teils empörte Aufmerksamkeit -und zum Schluss weit mehr Aufmerksamkeit, als Jessamy lieb war.
    Ein struppiger Apportierhund war schuld an der Katastrophe. Das Tier trottete sittsam hinter seinem Herrn einher;
    kaum erblickte es jedoch das seltsame Fahrzeug, als es heftigst Anstoß daran nahm und bellend und schnappend daneben herraste. Jessamy war viel zu sehr an Hunde gewöhnt, die auf jede vorbeifahrende Kutsche losschossen und hinter ihr herjagten, um sich von diesem Angriff aus der Fassung bringen zu lassen. Lufra hingegen, der etwas zurückgeblieben war, um einen interessanten Geruch näher zu erforschen, sah, dass sein Herr angegriffen wurde, und stürzte zu Hilfe. Das Ergebnis war unausweichlich. Die Hunde warfen sich in einen Kampf auf Leben und Tod und schössen wie Kanonenkugeln in das Laufrad. Jessamy versuchte das Gleichgewicht zu halten und raste gegen einen Sesselflicker, verlor die Herrschaft über sein Fahrzeug, wurde auf das Kopfsteinpflaster geschleudert und geriet beinahe unter die Hufe eines hochtrabenden Gespanns vor einem Halblandauer. Zum Glück vermochte der Kutscher mit seinen Pferden Jessamy auszuweichen, und der Junge konnte sich, zwar aufgeschürft, zerschnitten und ziemlich erschüttert, aber ohne gebrochene Knochen aufrappeln. Etwas benommen und tief gedemütigt stand er vor einer Szene, die schlimm genug war, um jeden weniger mutigen Sechzehnjährigen als Jessamy einzuschüchtern. Durch das plötzliche Abschwenken der Kutschenpferde war der Verkehr durcheinandergeraten, und gegenseitige Beschuldigungen, Drohungen und Flüche schwirrten durch die Luft. Die Witwe in dem Halblandauer leistete sich einen Anfall leichter Hysterie; der Sesselflicker, der sich ebenfalls von der Fahrbahn aufrappelte, forderte enormen Schadenersatz für Verletzungen und den total ruinierten

Weitere Kostenlose Bücher