Heirs of Kilronan 01 - Geheimnisvolle Versuchung
auch, was die anderen denken könnten – er dachte, sie würden es für Schwäche halten. Um seinen eigenen Sohn zu fürchten, meine ich, wenn das Schicksal der Welt der Anderen in der Schwebe hing. Wäre es Brendan gewesen, hätten sie vielleicht anders gedacht. Ihn respektierten sie. Aber dich?« Er hob die Schultern und drehte in einer resignierten Geste die Handflächen nach oben.
»Absolut nicht«, beendete Aidan den unausgesprochenen Gedanken.
Daz lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen. »Dir fehlten die Eigenschaften, die sie bewunderten.«
»Mit anderen Worten, ich besaß nicht Brendans magische Fähigkeiten.«
Er hatte es immer gewusst, aber von Daz die Bestätigung für die Voreingenommenheit seines Vaters zu bekommen, tat weh. Selbst heute noch.
Daz öffnete die Augen wieder, und keine Spur von Wahnsinn lag in seinen blassen Augen, als er einen nachdenklichen Blick auf Aidan richtete. »Es war Brendan, der deinen Vater schließlich zur Vernunft brachte. Er sagte, er sei ein elender Feigling, wenn er die Kritik der anderen nicht ignorierte und zu dir ginge. Ich hatte deinen Vater noch nie so wütend auf den Jungen gesehen.« Er lachte gackernd und schlug sich auf den Schenkel. »Aber er machte sich auf den Weg zu dir.«
Er war gekommen, ja. Den ganzen Weg nach London. War in Aidans Zimmer auf der Henrietta Street hereingestürmt wie eine Naturkraft, und seine kalte Wut hatte sogar Aidans durch Schmerz und Laudanum hervorgerufene Benommenheit durchdrungen. Sein Vater hatte die Gelegenheit genutzt, um ihm wegen der skandalösen Affäre den Marsch zu blasen, und sich lang und breit über Aidans Dummheit, seinen katastrophalen Mangel an Diskretion und die Einfalt seines unreifen Verhaltens ausgelassen.
Aidan hatte nie aufgehört, dieses unglückselige Duell zu bereuen. Und nicht nur wegen der Lahmheit, die ihn nach so vielen Jahren noch belastete, sondern auch wegen des endgültigen Keils, den es zwischen ihn und seinen Vater getrieben hatte. Es hatte eine Kluft zwischen ihnen geöffnet, die sich nie wieder überbrücken ließ.
Aber wenn es Brendans Vorwürfe bedurft hatte, seinen Vater dazu zu bringen, ans Bett seines Sohnes zu eilen, das durchaus sein Sterbebett hätte sein können – was sagte das über die Stärke der Beziehung zwischen ihm und seinem Vater aus? War die Bindung zwischen ihnen einseitiger gewesen, als er angenommen hatte? Hatte Vater überhaupt etwas für irgendeines seiner Kinder empfunden? Oder waren sie alle nur so etwas wie Schachfiguren gewesen, die benutzt und abgelegt werden konnten, je nachdem, wie sie benötigt wurden?
Aidan versuchte, sich auf all das einen Reim zu machen, während er gegen den Druck alter Schuldgefühle und neuer Fragen ankämpfte. Bei alldem fühlte er einen stechenden Kopfschmerz hinter seinen Augen beginnen und suchte Zuflucht in den Fakten, die er kannte. Das Tagebuch. Lazarus. Die immer mehr zutage tretende Gemeinheit seines Vaters. Die Anschuldigungen der Amhas-draoi .
Daz hatte sich erhoben, um mit einem Schürhaken das Feuer zu beleben, und die Funken schossen bis in den Kamin hinauf. Das rote Glühen der Flammen spiegelte sich in seinen besorgten alten Augen wider und tauchte sein Gesicht in scharfe Linien aus Licht und Schatten.
Bis jetzt war Daz’ anfängliche Verwirrung über ihr Erscheinen von einer ermutigenden Klarheit abgelöst worden. Aber würde sie anhalten? Oder war sie so kurzlebig und wechselhaft wie das flackernde Licht aus dem Kamin? Da das nicht vorauszusehen war und Aidan nirgendwo sonst hinkonnte, erlaubte er sich, das Thema, das er den ganzen Abend vermieden hatte, anzuschneiden.
»Als ich dir kurz nach unserer Ankunft das Tagebuch meines Vaters zeigte, hast du es sofort erkannt«, sagte er zu Daz.
Der alte Mann stocherte im Feuer und ließ einen neuen Funkenregen aufstieben.
»Jemand ist hinter Vaters Journal her – ein Domnuathi , Daz.«
Die Hand des alten Mannes verkrampfte sich um den Schürhaken, und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Schmerzes, der Angst oder auch beidem.
»Auch die Amhas-draoi sind hinter dem Buch her. Sie wollten es als Lockmittel benutzen, um denjenigen zu fassen, der diese Kreatur beherrscht und lenkt.«
»Nicht vorbei. Noch immer nicht vorbei«, murmelte Daz, eine Hand auf dem Schürhaken und mit der anderen in seine Tasche greifend. »Ich wusste, dass es noch nicht vorbei sein konnte. Nicht, bis wir alle tot und verblichen waren. Nicht, bis er tot und verblichen
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