Heiss wie der Sommer
wie Freundinnen gewesen. „Tut mir leid“, gab sie freundlich zurück. „Die Dinge ändern sich.“
Denises freundliches Gesicht nahm einen etwas härteren Zug an. „Vergessen Sie nicht, dass Sie eine Vereinbarung unterschrieben haben. Wenn Sie innerhalb der nächsten zwei Jahre bei unserer Konkurrenz tätig werden, dann müssen Sie die Abfindung zurückzahlen, und die Pensionszahlung wird gekürzt werden.“
Zwei Jahre, überlegte Lily fröhlich. Zeit genug, um mit Tyler mindestens ein Kind, vielleicht sogar zwei Kinder zu bekommen.
Und die „Konkurrenz“ plante ganz bestimmt keine Filiale in Stillwater Springs, Montana.
„Ich werde nicht gegen den Vertrag verstoßen, Denise“, versicherte sie und wartete darauf, dass ihre ehemalige Chefin zur Seite ging, damit sie das Büro verlassen konnte. Ihre Idee, ein eigenes Online-Unternehmen zu gründen, hatte sie bislang weder mit Tyler noch mit ihrem Dad diskutiert, also würde sie Denise gegenüber davon erst recht kein Wort fallen lassen.
Widerstrebend ging Denise zur Seite. „Lassen Sie uns wenigstens noch eine Abschiedsparty für Sie organisieren“, bat sie Lily, während sie ihr durch den Empfangsbereich folgte. Alle Mitarbeiter verstummten schlagartig; es herrschte Totenstille.
Lily hielt den Karton schräg, damit sie den Liftknopf drücken konnte. „Eine Abschiedsparty?“, wiederholte sie. „Haben Sie etwa vergessen, dass Sie mich rauswerfen wollten?“
„Das war doch nur ein Bluff! Ich wollte, dass Sie nach Chicago zurückkommen, wo Sie hingehören. Ich weiß, Ihr Vater ist krank, aber hier gibt es auch Herzspezialisten, wie Ihnen bekannt sein dürfte.“
Die Aufzugtür glitt auf, und Lily betrat die Kabine.
Plötzlich zeigte Denise also ihr wahres Gesicht. Wahrscheinlich hatte sie dem Vorstand versichert, sie werde Lily schon herumkriegen, wenn sie ihr eine Gehaltserhöhung mitsamt Gewinnbeteiligung versprach. Jetzt musste sie den Herrschaften die unerfreuliche Nachricht überbringen, dass sie einen neuen Einkäufer einstellen mussten, und zwar so schnell wie möglich. Mit hochrotem Kopf rief sie: „Glauben Sie ja nicht, Sie könnten hier noch mal aufkreuzen, wenn Sie wieder Vernunft angenommen haben!“
„Denise?“ Lily lächelte zuckersüß.
„Ja?“, fragte die und war schlagartig wieder freundlich.
Der Abfindungsscheck war bereits eingelöst, und Lily strahlte wie eine Kartoffelkönigin auf der Landwirtschaftsmesse von Montana. „Darf ich Ihnen einen Rat geben?“
„Ja, bitte?“, erwiderte Denise verständnislos. Hinter ihr hatte sich inzwischen offenbar die gesamte Belegschaft eingefunden und verfolgte das Geschehen interessiert.
„Versuchen Sie nie, ein Mädchen vom Land aufs Kreuz zu legen!“
Wie im Film schlossen sich genau in diesem Moment die Aufzugtüren.
Lily führte einen kleinen Freudentanz auf. In der Tiefgarage angekommen, packte sie den Karton in den Kofferraum, setzte sich in den Wagen und griff nach ihrem Handy.
Ihr Dad, der sich mit Tess noch immer in der Wohnung aufhielt, meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
„Ich bin jetzt hier raus“, ließ sie ihn wissen und konnte kaum ihre Begeisterung bändigen. Ihr war nie bewusst gewesen, dass sie sich hier praktisch in einem Gefängnis befunden hatte. Das wurde ihr erst jetzt klar, seit sie frei war. „Wie sieht’s bei euch aus?“
Hal lachte. „Hier ist alles bestens. Zu Mittag gab es etwas einigermaßen Gesundes. Von Eloise haben wir bislang nichts gesehen oder gehört. Und ich musste mir zweimal
Plötzlich Prinzessin
ansehen. Komm bitte schnell nach Hause, ich befürchte nämlich, dass mir eine dritte Runde bevorsteht.“
„In einer halben Stunde bin ich da, wenn unterwegs nicht zu viel los ist“, antwortete sie. „Zieh deine Tanzschuhe an, Daddy! Tess, du und ich, wir gehen feiern!“
16. KAPITEL
D er Mistkerl war im Vollrausch, dennoch vergewisserte sich Doreen McCullough lieber einmal mehr. Sie stand über ihn gebeugt und spielte mit dem Gedanken, ein Kissen zu nehmen und es ihm aufs Gesicht zu drücken. Doch das Risiko war es nicht wert. Immerhin war er bärenstark. Er würde sie sogar noch im Schlaf von sich stoßen und dann brutal auf sie einschlagen. Außerdem war die alte Dame nur nach nebenan zu den Nachbarn gegangen, um die Katzen zu füttern; das Rentnerehepaar war zu einem kranken Verwandten gefahren. Granny würde kurzen Prozess machen: Sie würde eine Ladung Trockenfutter in die Näpfe schütten, sich die angesammelte Post
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