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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen Händedruck des Teufels. Draußen, vor dem Lazarett, im festgestampften Schnee und vom Eiswind umweht, raufte sich Skopeljeff die Haare. Vielleicht bin ich schon infiziert, durchfuhr es ihn. Wandert der Eiter schon durch meine Adern? Ist mein Blut schon verseucht? Ich habe diesen Godunow, der Satan hole ihn, umarmt und getragen. Er hat mich angeatmet. O Himmel, mir wird schwindelig.
    Er rannte weiter, stürzte in seiner Baracke zum Telefon und rief die Zentralfleischerei an. Jewronek meldete sich sofort … er hielt am Telefon Wache, denn irgend etwas mußte mit Godunow im Frauenlager passieren, das ahnte er. Dieser Zwerg war für Überraschungen immer gut.
    »Wir haben ihn ins Lazarett gebracht«, brüllte Skopeljeff ohne Einleitung, als er den tiefen Baß hörte. »Eine Sepsis! Und so etwas schickst du mir herüber? Soll ich auch krepieren? Mir schwindelt schon, mein Kopf ist heiß wie ein gedünsteter Apfel, die Beine zittern …«
    »Keine Aufregung, Brüderchen.« Jewronek lachte dröhnend. »Du sollst sehen, in zwei Stunden steht der Genosse Godunow frisch verbunden wieder am Auto und ist wohlauf. So unmenschlich, wie er aussieht, ist auch seine Natur. Ihn muß der Teufel selber aufs Hirn schlagen! Na, was hat er gesagt?«
    »Er scheint gut informiert zu sein.« Skopeljeff atmete auf. Die Sorglosigkeit Jewroneks steckte ihn an. »Er redet so gebildet, daß ich Mühe habe, ihn zu verstehen. Man muß ihn freundschaftlich behandeln.«
    »Sage ich es nicht, war's nicht meine Rede? Gib ihm eine Pelzjoppe, eine gefütterte Mütze, das wird ihn milde stimmen. Solange er in Workuta ist, sollten wir lachen, wenn er rülpst.«
    »Vielleicht krepiert er doch an seiner verdammten Sepsis«, sagte Skopeljeff freundlich. »Die Ärztin hier zog ein verzweifeltes Gesicht und kam mir sehr hilflos vor. O Himmel, wenn nur ich mich nicht angesteckt habe. Ich werde sofort ein heißes Bad nehmen und die Keime ausschwitzen.«
    *
    Im septischen Verbandsraum – den Dunja ebenso energisch eingeführt hatte wie Pjetkin im Männerlager – lag Marko auf dem Tisch und rollte so lange furchterregend mit den Augen, bis er mit Dunja allein war. Dann setzte er sich und strahlte Dunja an wie ein Väterchen, der sein Kind nach langen Irrungen wiedergefunden hat.
    »Da sind wir wieder«, sagte er, nachdem Dunja ihm einen Kuß gegeben hatte. »Habe ich nicht immer gesagt: Für Marko gibt es keine verschlossenen Türen?«
    »Wie geht es Igorenka? Was macht er? Wie sieht er aus?« Sie umarmte Marko, ihre Stimme schwankte. Plötzlich weinte sie, lehnte sich gegen die Schulter des Zwerges und schluchzte laut. Die gesammelte Qual von Wochen brach aus ihr heraus wie eine Woge durch einen zerrissenen Damm. Da waren die langen einsamen Nächte, in denen sie am Fenster gestanden hatte, vor sich die Hölle der Wäscherei, über sich den Schneehimmel und um sich die hohen Zäune und elektrischen Drähte.
    »Vergiß!« hatte Anna Stepanowna, ihre Nachbarin, gesagt. »Wirf alles weg, was war. Man hat dich in ein anderes Leben gesetzt … fang als Säugling wieder an! Oder erobere Neuland, indem du dich mit Dobronin oder Wyntok ins Bett legst.«
    Da waren die Gedanken. Zwiesprachen mit Igor, innen im Herzen und manchmal halblaut, ein Monolog der Sehnsucht, der in der Nacht verflatterte. Erinnerungen bekamen Leben: die Nächte in Issakowa, im Schilfgras des Amur, umspielt vom Rauschen der Wellen und dem Singen des Windes, der von der Taiga über die Steppe flog. Welche Tage! Selige Nächte! Sie waren so grenzenlos wie der Himmel über Sibirien – Marko saß ganz still auf dem OP-Tisch, hatte Dunja umarmt und ließ sie ausweinen. Erst, als das Schluchzen gar nicht aufhörte, streichelte er ihr über die Haare und sagte: »Es ist ein Luxus, Töchterchen, die beste Zeit zu verweinen. Ich muß in einer Stunde wieder weg, und bis dahin muß ich viel erzählt haben, und die Hand sollte auch verbunden werden.«
    Dunja nickte. Sie warf den Kopf in den Nacken, streifte mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht und atmete tief auf. »Was ist mit Igorenka?«
    »Ihm geht es gut. Was man so gut nennt, natürlich. Er leidet keine Not, ist dabei, das Krankenhaus auf den Kopf zu stellen – man kennt das ja – schafft sich mehr Feinde als Freunde … aber was macht das schon aus? Er hat dir einen Brief geschrieben, Täubchen … wickele nur den Verband schnell ab, so eine Sepsis hat es in sich.«
    Er kicherte, hielt seine Hand hin, und Dunja entfernte mit zitternden

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