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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Krankenhaus trabten die Armen nun wirklich hinaus zur Arbeit. Am Kellereingang aber erschien allein die Dussowa und lachte dunkel.
    »Untersuchen Sie mich, Igor Antonowitsch …«, rief sie. »Auch Sie können mich nicht betrügen …«
    Später ließ auch das nach. Die Liebe machte Marianka sanft, und als es Mitte März war, glaubte sie Pjetkin, daß er Dunja vergessen hatte.
    Das Foto entdeckte sie nicht. Pjetkin verbarg es in seinem alten, sicheren Versteck unter der Matratze. Es war für ihn ein merkwürdiges Gefühl, Marianka zu lieben und unter sich das Bild Dunjas zu wissen. Wenn sie dann gegangen war, ein Feuerstrahl des Glücks, holte er das lederne Etui unter der Matratze hervor, stellte das Foto auf den Tisch und setzte sich davor. »Es ist kein Betrug, Dunjenka«, sagte er leise und streichelte über ihr Gesicht. »Die einen stehlen, um zu überleben, ich muß lieben. Versteh das … es ist nur der Körper, der mißbraucht wird …«
    Er stellte sich dann unter die Dusche, brauste sich heiß und nachher kalt ab und hatte das Gefühl, wieder sauber zu sein, eine Sünde abgewaschen zu haben.
    Und die Briefe gingen weiter hin und her. Marko war zu einem Bestandteil beider Lager geworden … man kontrollierte ihn nicht mehr, ja, man beachtete ihn nicht einmal, die Wachen schoben das Tor auf, die Offiziere grinsten ihm zu, Skopeljeff nahm ihn hin wie einen trüben Tag, nur die weiblichen Kapos im Lager sprachen Marko ab und zu an, winkten, blinzelten, grinsten, rieben die Brüste unter den groben Kitteln und flüsterten ihm zu: »Komm in eine Ecke, Väterchen. Auf die Schnelle … sei kein lahmer Bock! Du sollst nicht enttäuscht werden –«
    Jewronek wurde es langsam unheimlich. Er betrachtete Marko immer kritischer und kam zu keinen Entschlüssen. Eine Kommission – gut. Die bleibt ein paar Tage, und weg ist sie, um ihre langen Berichte zu schreiben. Das ist ihre Hauptaufgabe. Akten füllen … ein russischer Sport. Ein eingeschleuster Vertrauensmann … auch gut. Der bleibt einen Monat, oder zwei – aber dann hat er alles gesehen, weiß alles, kann also berichten. Auch er muß schreiben … aber nie hat jemand Marko Borissowitsch vor einem Blatt Papier gesehen. Auch telefonierte er nicht. Wie also – frage ich euch, Genossen – bringt er seine Berichte aus dem Lager hinaus?
    Jewronek schwankte mit seiner Meinung hin und her wie ein Halm im Wind. Entweder ist er ein ganz Gerissener, dieser Godunow, oder er ist ein genialer Betrüger. In beiden Fällen war Jewronek der Dumme. Eine Situation, in der es ihm unbehaglich wurde.
    Er nahm sich vor, Marko Borissowitsch auf den Zahn zu fühlen. Mehr als zubeißen konnte er nicht.
    Ein Ereignis, das über Workuta niederfiel wie ein Bergsturz, enthob Jewronek seines Planes und bohrte dafür panische Angst in sein Herz: Eine Kommission aus Moskau hatte sich angesagt.
    Der Lagerkommandant, der Oberst, berief sofort eine Sitzung ein, an der alle Offiziere, die Ärzte und die Natschalniks teilnahmen.
    »Ein guter Freund hat mich angerufen«, sagte der Oberst und bemühte sich, nicht erregt zu sprechen. »Durch Zufall hat er's erfahren. Die Kommission soll überraschend kommen, unverhofft, ohne Grund. Wumm, ist sie da! Der Genosse Gesundheitsbeauftragter für die Lager kommt persönlich. Weiß der Teufel, was ihn nach Workuta treibt! Aber wir wissen es nun. Meine Damen und Herren –«, der Oberst sprach plötzlich wie im zaristischen Kasino – »in zwei Tagen ist das Lager ein Musterbetrieb! Brauche ich mehr zu sagen?«
    Jewronek schwankte zu seiner Fleischerei zurück und blickte Marko aus umflorten Augen an. Mußte das sein, Brüderchen, hieß dieser Blick. Jetzt wissen wir, was hier gespielt wurde. Unverhoffte Kontrolle … willst du mir die Hosen vom Arsch ziehen, Genosse? Hast du nicht immer dein Stückchen Fleisch mitbekommen? Was soll ich tun, Marko Borissowitsch? Mich ertränken? Mich aufhängen? Dir die Stiefel küssen?
    Im Lager wurden die Baracken geputzt, bis sie wie mit Speckschwarten eingerieben glänzten. Sogar drei Kolonnen der Außenkommandos blieben im Lager, und es begann der Irrsinn, der schon in Sergejewka zur Tagesordnung gehörte: Der Appellplatz wurde gesäubert, vom Schnee leergefegt, das Eis wurde abgehackt und mit Sand bestreut, bis es aussah wie eine Oase inmitten einer Nordpollandschaft. Auch innerhalb der Sträflinge wurde ausgetauscht. Die Halbverhungerten, bettlägerig Kranken, die Dystrophiker, Furunkulosen und Lungenkranken, die

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