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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sein, dieser Wyntok«, sagte er erschüttert. »Siebenundsechzig Weiber, und immer sind's noch nicht alle. Mit allen hat er gehurt! Bei neunzehn hat er abgetrieben. Wie hat er das nur geschafft? Woher nahm er die Potenz? Verdammt, ich schließe die Akten. Der Fall ist erledigt! Täter unbekannt. Sie können den Genossen Wyntok ins Krematorium fahren.«
    Am elften Tag wurde Dr. Wyntok verbrannt. An diesem Tage besuchte Marko wieder Pjetkin. Er wußte nichts von der Absicht der Dussowa, ihn umzubringen. Damals hatte Pjetkin es noch verhindern können. Er hatte Marianka eingeholt, von hinten umfaßt und festgehalten. Und weil seine Hände genau auf ihren Brüsten lagen und sie drückten, wurde sie sanft, seufzte und legte den Kopf nach hinten. »Komm –«, hatte er mit heiserer Stimme gesagt. »Sei wieder wie der Steppenwind … Wir sollten uns nur in der Liebe zerfleischen …«
    Und während die kleine, ängstliche Ärztin Wanda Nikolajewna und der zitternde Dr. Tarrasow ihren ersten Nierenstein zu Ende operierten, lag die Dussowa in Pjetkins Armen. Von da an begegnete Marko noch zweimal der Dussowa. Sie übersah ihn, ging an ihm vorbei, als sei er eine Luftblase, und als er einmal sagte: »Der Teufel grüße dich, Schwesterchen!«, spuckte sie ihm ins Gesicht.
    An diesem Tage, an dem man Dr. Wyntok verbrannte, saß Marko bei Pjetkin im Zimmer und zeigte ihm seine Handflächen.
    »Siehst du etwas?« fragte er finster. Pjetkin betrachtete die Hände als Mediziner. »Nein.«
    »Ich habe sie jeden Tag gewaschen. Dreimal. In den ersten Tagen habe ich sie gescheuert mit Sand, bis die Haut durchgeschabt war. Jetzt müßten sie sauber sein.«
    »Natürlich. Bist du verrückt, Marko?«
    »Nein, Igorenka … ein Mörder.« Marko blickte auf seine Hände, sie zitterten leicht. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber ich habe mit diesen Händen einen Menschen getötet. Einen Dr. Wyntok. Er beobachtete Dunja in der Banja und lauerte ihr auf. Mit einem Holzscheit habe ich ihm den Schädel eingeschlagen. Es knackte wie trockenes Reisig. Und dann lag er da im Schnee wie ein weggeworfenes Bündel Lumpen … und ich war ein Mörder. Mit diesen Händen.« Marko hielt sie Pjetkin wieder hin. Die Innenhaut war rot, abgeschabt.
    »Er … er wollte Dunja überfallen?« sagte Igor leise.
    »Ja. Er sah ihr durchs Fenster zu, wie sie nackt in der Banja herumsprang. Dann schlich er weg wie eine Katze.«
    »Deine Hände sind sauber.« Pjetkin drückte Markos Arme herunter und hielt sie fest. Sie sahen sich an und dachten das gleiche.
    »Vergessen wir diesen Wyntok … ich gebe dir Salbe für deine Hände, mein Väterchen –«

A CHTUNDDREISSIGSTES K APITEL
    Die Monate glitten in die Unendlichkeit des weiten Landes. Monate des ständigen Kampfes … gegen die Natur, die Lagerverwaltung, die Gesetze, die Unvernunft. Der Gleichklang der Tage und Wochen war bedrückend: Untersuchungen, Operationen, tausendfaches Leid …, ein Leben auf allen vieren, wie es der Oberst nannte.
    Der Winter umklammerte das Land mit seinen frostigen Zangen.
    Manchmal waren es auch schöne Tage. Durch irgendein Wunder riß der bleigraue Himmel auf, und die Sonne hing wie an einem Faden darüber. Dann glitzerte das Eis, leuchtete blau und violett, wurde durchsichtig wie Kristall und erinnerte an die zarte Haut einer rothaarigen Frau. Wie das Wetter wechselten die Launen der Dussowa. Sie konnte an einem Tag die unmöglichsten Wünsche nach Moskau schreiben – zuletzt die Anforderung eines Bildwandlers, jenes mit einem Fernsehschirm gekoppelte Röntgengerät, unter dem man komplizierte Knochenbrüche reponieren und Nagelungen ausführen kann – am anderen Tag erschien sie bei den Selektionen und tippte mit ihrer gefürchteten Ledergerte auf die kahlgeschorenen Schädel oder über die bettelnd zu ihr erhobenen Augen und sagte ihr gnadenloses: »Arbeitsfähig! Arbeitsfähig!«
    Zuerst war das nicht weiter schlimm. Die als gesund bezeichneten Elendsgestalten marschierten als geschlossener Block weg, umkreisten das Krankenhaus und stellten sich hinten, an einem Kellerausgang, an. Hier wurden sie von Pjetkin und zwei eingeweihten Pflegern einzeln in Empfang genommen, untersucht und zu den Baracken zurückgeschickt. Innendienst. Rettung für einen Tag. Gott segne den neuen Doktor.
    Das klappte vorzüglich, bis einer der ›Hündinnen‹ Pjetkins Trick verriet. Die Dussowa schlug keinen Lärm … aber sie marschierte bei der nächsten Selektion mit, und statt um das

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