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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Deutscher?«
    »Das kann man nicht mit ja oder nein beantworten.« Der häßliche Mensch tat einen lauten Schnaufer, faßte sich an die Brust, zuckte mit dem Kopf und lächelte dann wieder. »Verzeihen Sie … eine dumme Erkältung. Ein Druck in der Brust, wie Blei auf der Lunge. Wen wundert's? Kann man sich schonen? Und dieses Wetter dazu!« Er rasselte wieder mit seinen Lungen und besann sich auf das Grundthema ihres Gespräches. Das Tor des inneren Lagerbereiches tauchte auf … man sah den hohen Steinklotz des Krankenhauses und der Kommandantur. »Pjetkin … ja was ist er eigentlich? Darüber sind wir uns nicht einig. Als Mitglied der Akademie, das er werden kann, wäre er natürlich ein Russe, was sonst … als Häftling, wenigstens solange, wie er hier bei Ihnen im Lager ist, möchten wir ihn als Deutschen ansehen. Das schließt nicht aus, daß er bei einer Sinneswandlung und darauffolgenden Entlassung wieder ein Russe sein wird … ein komplizierter Fall, wie Sie sehen. Deshalb möchte ich auch mit ihm sprechen. Allein. Stellen Sie mir Ihr Zimmer zur Verfügung, Genosse Oberst?«
    »Welch eine Frage? Mir liegt das Schicksal Pjetkins sehr am Herzen.«
    »Mitleid?«
    »Nein. Kameradengeist. Sein Vater war mein Freund in Stalingrad.«
    »Wie klein die Welt ist.« Der häßliche Mensch stieg aus dem Wagen. Er übersah die Häftlinge, die als Innendienstler Schnee kehrten, den Appellplatz fegten, eine sinnlose Arbeit, denn es schneite schon wieder. Das Lager war so sauber wie eine Sterilisation. An den Fenstern der Verwaltungen – Magazin, Werkstätten, Küche, Metzgerei, Garagen – standen die Natschalniks und beäugten den Besucher aus Moskau.
    Jewronek schielte zu Marko, der neben ihm stand. »Ihr Bruder, Genosse?« fragte er dumpf. Soviel Häßlichkeit im Doppel kann nur Verwandtschaft sein, dachte er. Der eine Zwerg ist schon seit Wochen hier, der andere kommt zur Inspektion … wenn da keine Verbindung ist, will ich mich kastrieren lassen.
    »Ein Bekannter –«, sagte Marko vorsichtig. Man muß sich immer den Rücken freihalten. »Warum?«
    »Er ist mir auf den ersten Blick sympathisch.« Jewronek steckte die Hände in seine Hosentaschen. »Wird er auch die Fleischerei besuchen?«
    »Das weiß man nie. Ich werde ihn fragen.«
    »Unser Schwundanteil ist katastrophal.«
    »Ich weiß es.«
    »Man sollte eine Erklärung dafür haben.«
    »Keine Angst.« Marko lächelte breit. »Wenn es zu einer Kontrolle kommt, werde ich ihm einen Ochsen auseinandernehmen. Er wird sich wundern, wieviel man von einem Tier nicht fressen kann. Halten bloß Sie den Mund, Jewronek.«
    Im Zimmer des Obersten Baranurian trank der Mann aus Moskau erst einmal zwei wasserhelle Wodkas und aß ein paar noch warme Piroggen mit Hühnerleber. Als er sich satt zurücklehnte und nach seinen Papyrossi griff, rasselten seine Lungen wieder. Er steckte die Zigaretten wieder ein und sagte mit bläulichem Gesicht: »Man soll nichts provozieren. Überschlagen wir das Rauchen. Wo ist Igor Antonowitsch?«
    »Dr. Pjetkin wird schon geholt.«
    »Weiß er, worum es sich handelt?«
    »Nein.« Baranurian ließ Wodkaflasche und zwei Gläser auf dem Tisch und ging langsam zur Tür. »Das Gespräch sollte Klarheit bringen.«
    »Hoffen wir es. Unser Wille ist vorhanden.«
    Der Oberst verließ sein Zimmer. Der Mann aus Moskau stieß sich aus seinem Sessel ab, ergriff die Flasche Wodka, entkorkte sie und setzte sie mit dem Hals an seine Lippen. Gierig trank er ein paar tiefe Züge, verkorkte sie dann wieder und stellte sie auf den Tisch zurück. Er hoffte, daß der merkwürdige Atem sich verflüchtigen würde, aber das Rasseln blieb, hohl, unheilvoll, wie Gurgeln von Wasser in einem halb verstopften Rohr.
    Unterdessen war Pjetkin in der Kommandantur eingetroffen. Natürlich wußte er, welches Gespräch geführt werden sollte, er, war auf alles vorbereitet. Marianka Jefimowna Dussowa begleitete ihn, kampfbereit, mit brennenden, schwarzen Augen, eine gefährliche Gegnerin. Ihre Liebe zu Pjetkin war jetzt nichts Verborgenes mehr … aus jedem Blick, jeder Handbewegung, jedem Wort zu ihm brodelte die Leidenschaft.
    »Ich bleibe hier stehen«, sagte sie, als Pjetkin die Hand auf die Klinke legte. »Hier warte ich. Wir alle stehen hinter dir … laß den Kopf oben, Liebster. Wie eine Mauer umgeben wir dich … den Schädel kann er sich bei uns einrennen, mehr nicht.« Sie küßte ihn. Es störte sie nicht, daß der Oberst und drei andere Offiziere hinter ihnen standen

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