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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anfänglichen Gesprächen wurde bei Marko Borissowitsch eine Art hündischer Ergebenheit. Was man nie für möglich gehalten hätte: Er verließ seinen Leichenkeller, ging in der Sonne und im Winter im Schnee spazieren, lauerte Igor auf dem Weg zur Universität auf, trug ihm die Büchertasche, besorgte ihm zwischen den Vorlesungen Tee oder eiskalten Kwass, hörte ihn die Lektionen und Aufzeichnungen ab und paukte mit ihm die schwierigen Formeln der chemischen Physiologie.
    Sogar Irena Iwanowna duldete ihn in ihrem Haus, und das will etwas heißen.
    Bald war Marko für Igor unentbehrlich. In der Universität gewöhnte man sich an den Anblick, wie der häßliche Zwerg dem großen, jungen Mann nachlief.
    »In einem Jahr sind Sie fertig«, sagte Marko Borissowitsch im Winter 1962. Sie gingen langsam durch den knirschenden Schnee. Marko hatte Igor wie immer vom Krankenhaus abgeholt, wo Igor in der Chirurgie sein Praktikum absolvierte. Professor Rellikow ließ ihn sogar schon selbständig einige Nähte knüpfen und beorderte ihn viermal zu einer Gallenoperation als Assistent. Das war eine große Auszeichnung, aber Igor nahm sie gelassen hin.
    »Was werden Sie dann tun?«
    »Ich weiß es noch nicht, Marko. Das Ministerium wird bestimmen.«
    »Sie werden aus Kischinew weggehen, nicht wahr?«
    »Wer kann das jetzt schon wissen? Man wird mich dort hinstecken, wo man einen Arzt dringend braucht. Ans Eismeer oder in ein Nest in Sibirien, in ein Steppenlager oder ein Kohlenwerk. Kranke Menschen gibt es überall.«
    »Ob man Sie mit einem Gehilfen reisen läßt?« fragte Marko und blies in seine frostblauen Hände. »Ich meine, das ist nur eine theoretische Frage. Es wäre doch möglich, daß Sie sagen, zum Beispiel nur: Genossen, ich nehme die Stelle in Nowo Petrowka an. Ein elendes Nest ist es, ich weiß, die Füchse sterben dort an Trostlosigkeit, und die Erdwürmer verdorren, weil sie sich trockengeweint haben. In Ordnung, liebe Genossen, ich ziehe dorthin und heile die Gebrechlichen. Aber gestattet, daß ich meinen Gehilfen mitnehme. Er soll mir die schwere Tasche tragen, die Spritzen reinigen, die Verbände waschen und wickeln, die Stiefel putzen, das Wägelchen schmieren und die Pferdchen füttern, er soll alles machen, damit der Arztbetrieb reibungslos abläuft. Genossen, schreiben Sie ein Reisepapierchen aus für Marko Borissowitsch Godunow.« Marko wischte sich über die Augen. »So könnte man sprechen, rein theoretisch.«
    In Igor quoll ein heißes Gefühl auf. »Du willst deine Stellung in der Anatomie aufgeben?«
    »Ja, Igor Antonowitsch.«
    »Eine gute Lebensstellung?«
    »Ich will in Ihrer Nähe sein, wenn ein großer Arzt entsteht.«
    »Du phantasierst, Marko. Ich bin nichts Besonderes.«
    »Sie sind von Gott begnadet, Herrchen.«
    »Unsinn. Wer ist Gott?«
    »Streiten wir nicht darüber.« Marko, der Zwerg, bückte sich beim Gehen, schaufelte Schnee in seine Spinnenfinger und dreht einen Schneeball. Er warf ihn weit weg, und Igor wunderte sich über die Kraft in den langen, wie Riesenwürmer aussehenden Armen.
    »Sie staunen?« fragte Marko. »Ich wollte Ihnen nur beweisen, wie kräftig ich bin. Ich kann überall dort leben, wo auch Sie sind.«
    »Ich werde es mir überlegen.« Igor schlug den Mantelkragen hoch. »In einem Jahr … mein lieber Marko, wie wird die Welt dann aussehen?«
    *
    Sie sah leerer aus.
    Im Hause der Pjetkins stand ein Sarg. Marko war es, der die schreckliche Nachricht gebracht hatte, noch bevor die Behörden offiziell eingriffen und die Miliz einen Mann zu Anton Wassiljewitsch schickte.
    An der Kreuzung der Pawlowskaja und der Puschkina waren bei Glatteis zwei Autos zusammengestoßen. Der Zufall wollte es, daß gerade in diesem Augenblick Irena Iwanowna aus einem Stoffgeschäft trat und die Pawlowskaja überqueren wollte. Nicht einmal schreien konnte sie, so schnell rutschte der eine Wagen auf sie zu und quetschte sie gegen die Hauswand. Als man sie befreite, tropfte Blut aus ihrem Mund, und wo früher ihre schöne gerundete Brust war, gähnte eine Einbuchtung, in die man zwei große Männerfäuste legen konnte.
    Der Fahrer des Unglückswagens war unverletzt. Der andere Fahrer hing über seinem Lenkrad und hatte das Genick gebrochen. Unterdessen hatten andere gute Menschen Irena Iwanowna in den Laden zurückgetragen und auf eine Stofftheke gelegt. Jemand wischte ihr das Blut vom Mund. Ein Mann mit einem Kneifer auf der Nase beugte sich über sie und rief sie an. »He! Genossin! Hören Sie

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