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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man bedenkt«, sagte Baranurian, »daß es Starobin war, der in den letzten Monaten dieses ganze komplizierte medizinische Gerät nach Workuta schaffen ließ, alles, was Pjetkin anforderte, auch wenn wir ihn für noch so verrückt hielten. Er konnte schreiben, was er wollte … es kam immer an! Und jetzt liegt er da, dieser Starobin, und braucht das alles selbst für sein Leben. Das Schicksal entwickelt manchmal schon einen grausigen Humor. Hätte er das alles abgelehnt, würde er jetzt garantiert sterben.«
    »Er wird sterben«, sagte die Dussowa dunkel. »Diese Operation ist der Angsttraum jedes Chirurgen.«
    »Wenn sie ihm gelingt, sind Sie Pjetkin los.«
    »Ich bete, daß Starobin krepiert. Außerdem ist auch Pjetkin kein Übermensch.«
    »Er kann Glück haben. Unverschämtes Glück. In diesen Minuten kann ihn das Schicksal entschädigen.«
    »Entschädigen? Wofür? Ich liebe ihn … damit hat er alles erreicht.«
    »So sehen Sie es, Marianka Jefimowna.« Baranurian ließ es sich gefallen, daß ein Pfleger ihm eine weiße, sterile Kappe über den Kopf zog. »Haben Sie wirklich geglaubt, Pjetkin auffressen zu können?«
    »Ja.«
    »Ihr Selbstbewußtsein ist wie ein Vulkan.« Baranurian reckte den Hals. »Geht es jetzt los? Dr. Samsolow und Dr. Nurajew machen sich an Starobin zu schaffen.«
    »Sie beginnen mit der Thoraxöffnung.« Marianka blickte hinüber zu Pjetkin. Er fuhr gerade in die Handschuhe, der Mundschutz wurde ihm umgebunden. »Auch wenn er Starobin rettet … Moskau wird das Versprechen vergessen. Moskau läßt sich nicht erpressen!« Sie preßte die Hände zwischen ihre Knie. Ihr herrliches wildes Gesicht war blaß und maskenhaft angespannt. »Er kämpft nicht gegen Menschen, er kämpft gegen eine ganze Ideologie. Er muß verlieren.« Pjetkin kam an ihnen vorbei. »Er krepiert!« sagte die Dussowa laut. »Du bleibst bei mir.«
    »Er wird leben!« sagte Pjetkin.
    »Ich liebe dich.«
    Pjetkin ging weiter und trat an den Tisch. Dr. Schelkowskij folgte ihm … er ging zur Herz-Lungen-Maschine. Auf dem Oszillographen zuckte und flimmerte der elektronisch sichtbar gemachte Herzschlag. Höchste Warnung. Der Brustkorb war schon geöffnet, der zweite und vierte Knorpel durchtrennt, die Rippenspreizer eingesetzt, das Mittelfell lag offen. Zischend arbeitete der Sauger und machte das Operationsfeld von Blut frei. Die Klemmen saßen, die Ligaturen unterbanden neuen Blutstrom.
    Das große Wunder hatte begonnen. Das Wettrennen mit dem Tod. Es war trotz aller gleißenden Helle gespenstisch. Hier, in einem verfluchten, von Tausenden ›Toten Seelen‹ als Vorhof der Hölle verdammten Krankenhaus, in einem Haus, an dem das Eis an den Wänden klebte und die Mauern sich vollgesogen hatten wie ein Schwamm mit dem Elend eines Heeres von Hoffnungslosen, hier, wo jeden Morgen nach dem »Arbeitsfähig! Arbeitsfähig!« der Tod mit hinausmarschierte zu den Arbeitskommandos, wurde eine Lungenarterie freigelegt, um einen Menschen zu retten.
    Ein »Trendelenburg« am Eismeer. Gibt es etwas Widersinnigeres? Im OP lag tiefes Schweigen. Nur das Klappern der Instrumente unterbrach die Stille, das rhythmische Pumpen des Atemsackes, einzelne Zurufe, das Knistern des Oszillographen, das Schlürfen des Saugers, das Zischen des Elektromessers, wenn es schnitt und gleichzeitig verschmorte. Pjetkin überdachte noch einmal alles. Medikamentös war alles getan worden. 25.000 I.E. Herapin, 2 Ampullen PH 203, Spasmolytika … Er blickte auf die kleine Herz-Lungen-Maschine und winkte ab. Er entschloß sich, nach der alten Methode zu arbeiten … dabei war Schnelligkeit und Sicherheit jeder Bewegung die Hauptsache.
    »Konserven bereit –«, sagte er halblaut. »Kanüle fertig zum Einsetzen. Samsolow, Nurajew … passen Sie auf … wenn ich die Arterie durchtrenne, saugen und Blut geben. Oberhalb des Thrombus einsetzen.« Er zeigte mit einer kleinen spitzen Schere auf die aufgeblähte Lungenarterie und die beiden Abzweigungen. Dort staute sich das Blut und floß nur noch als dünnes Rinnsal weiter. Es war eine Sekundensache, bis sich der Thrombus völlig festsetzte und die Ader verschloß oder als langer Blutkeil ins Herz schoß. In beiden Fällen war Starobin tot. Neben Pjetkin stand Dr. Schelkowskij und hielt die Kornzange bereit, ein Greifinstrument mit Innenrillen.
    »Er verliert«, sagte die Dussowa leise und zitterte am ganzen Körper. »Es ist bereits zu spät –«
    Die Kanüle mit dem Blut war eingesetzt. Das Herz schlug schneller,

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