Heiß wie der Steppenwind
Mensch sein, der einen Saukerl wie diesen Starobin sterben läßt, und der Zufriedenheit empfindet, wenn solch ein Satan sich streckt und den letzten Seufzer ausstößt. Auch Jewronek und Marko diskutierten darüber, und Marko sagte: »Mein Lieber, du bist auch ein Schwein. Du betrügst die Hungernden um Zentner von Fleisch. Wenn du auf dem Boden liegst, soll er dich dann auch nur in den Arsch treten und weitergehen?«
Jewronek hatte darin eine feste Meinung, gab Marko für Pjetkin eine Riesenportion Gulasch mit und trug Marko auf, dem Doktor zu sagen, daß der Natschalnik Jewronek ihn bedingungslos bewundere.
Bis zum Frauenlager flog die Kunde von der Trendelenburgschen Operation. Chefarzt Dr. Dobronin glaubte es nicht, fragte telefonisch an und erhielt die Bestätigung.
»Unglaublich«, sagte er am Abend im Ärztekasino. »Da haben sie drüben einen Dr. Pjetkin, der macht doch tatsächlich eine Lungenembolie-Operation. Ein Verurteilter. Dunja Dimitrowna, Sie sind ja auch so ein Wolkenstürmer … würden Sie das hier auch machen?«
»Nein.« Dunja verbarg ihre Erregung unter der Maske der Gleichgültigkeit. Dabei war Igor Antonowitsch so nahe bei ihr.
»Warum nicht?«
»Ich kann sie nicht, diese Operation. Ich habe sie nie gesehen.«
»Ich auch nicht.« Dobronin sah sich im Kreise um. »Keiner von uns. Aber dieser Kerl macht sie. Ich wette, er bleibt nicht lange im Lager.«
Die Angst, in die Dunja stürzte wie in ein wildbewegtes Meer, war nicht mehr zu verbergen. Sie schützte Kopfschmerzen vor, lief in ihr Zimmer, warf sich auf ihr Bett und faltete die Hände.
»Nein –«, sagte sie. »Das darf nicht sein! Nehmt mir Igorenka nicht weg … und dieses Mal endgültig … Nein … nein …« Sie schrieb einen Brief, verzweifelt, voller Aufschreie und wartete auf Marko, den Boten.
Der Zwerg kam zwei Tage später, mit Fleisch, einem Brief von Pjetkin und der Nachricht, daß Starobin gar nicht daran denke, zu sterben. Er aß schon wieder Hühnerbrühe mit Fadennudeln und unterhielt sich mit Pjetkin über moderne sowjetische Musik. Starobin bewunderte Svjatoslaw Richter und nannte ihn den größten Pianisten, den die Welt je gehabt hätte. Pjetkin konnte dem nicht widersprechen – er hatte Richter noch nie spielen gehört.
»Ich lasse eine Platte kommen«, sagte Starobin. »Igor Antonowitsch, wenn Richter Beethoven oder Chopin spielt, reißt der Himmel auf!«
»Wird man ihn versetzen?« fragte Dunja, als Marko alles erzählt hatte. »Wird man Igor wegholen?«
»Warum?«
»Man wird erkennen, daß er zu schade für Workuta ist.«
»Was nutzt diese Erkenntnis? Er ist zu zehn Jahren verurteilt … um ihn wegzuholen, muß er erst begnadigt werden. Und das ist eine andere Stelle als die Lagerverwaltung in Moskau. Da der eine Beamte dem anderen Beamten keinen Gefallen erweist, weil jeder Beamte sich für vollkommen hält, wird es lange dauern, bis sich Igors Tat in Moskau an die richtige Stelle herangeschlichen hat.«
»Und wenn es anders ist?«
»Dann sind die Wege eben weiter, Dunjaschka. Ich werde zwischen euch bleiben.«
Er hatte gut reden, der kleine Godunow. Auch er wußte nichts von dem Vertrag, den Pjetkin mit dem sterbenden Starobin eingegangen war. Pjetkin hatte ihm noch nichts davon erzählt … noch lag Starobin in der Krise, atmete unter einem Sauerstoffzelt (auch eine Zuweisung, über die viel gestaunt wurde und die nun Jakow Andrejewitsch zugute kam) und hatte Herzrhythmusstörungen. Marianka trat jeden Tag an sein Bett, starrte ihn böse an und sagte:
»Warum stirbst du nicht, du Mißgeburt? Man sollte dir den Sauerstoff abdrehen.«
Starobin verstand sie nicht unter seinem Plastikzelt. Er lächelte der Dussowa schwach zu und glaubte, daß er besonders gut betreut wurde.
Am sechsten Tag durfte er aufstehen und machte die ersten Schritte … zum Fenster und zurück zum Bett. Sein Herz verkraftete es vorzüglich, ja, er fühlte sich sogar stark. Er spürte keine Schmerzen, das Blut zirkulierte normal, die Operationswunde heilte gut, die allgemeine Körperschwäche wich von ihm. Nachts träumte er bereits wieder von seiner Frau und bekam Gelüste, so mächtig, daß er sich vor sich selbst schämte.
»Igor Antonowitsch«, sagte er am folgenden Morgen, »das Essen ist zu gut. Ich platze an einer gewissen Stelle. Wenn du solche Operationen kannst, wird es dir auch möglich sein, für die Dauer meines Hierseins diese nicht mehr unter Kontrolle zu bringenden Dinge abzustellen.«
»Ich werde ihn
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