Heiß wie der Steppenwind
versteht, aber wir können auf sie bauen wie auf das beste Fundament. Welch ein Wunder von Mensch! Dunjascha, mein Liebling, mein einziger Stern am Himmel … habe Kraft.«
Worte … Worte … Worte … Real war nur eins: Der Befehl aus Moskau. Sofort!
Baranurian sprach mit dem Innenministerium. Ein übelgelaunter Mensch, der magenkrank zu sein schien, war an der Leitung, hörte sich alles an und sagte trocken: »Genosse Oberst – wir warten nicht gern. Ein Mann braucht zum Kofferpacken weniger als eine halbe Stunde –«
Baranurian legte auf, spuckte auf den Telefonhörer und steckte sich eine Zigarre an. Es ist sinnlos, mit Moskau zu streiten. Man sieht es immer wieder.
Eine völlig andere Auffassung von sofort hatte Marianka Jefimowna. Der Brief aus Moskau war für die Dussowa ein Blitz mitten ins Herz. Wer kann sie nicht verstehen? Für sie war Pjetkin ein erfülltes Wunder. Die Nächte mit ihm, auch wenn sie mehr ein Ringkampf gegen seine Passivität waren, glichen einer Fahrt in den Himmel. Nun war alles zerplatzt wie eine Seifenblase. Pjetkin packte seinen alten, dreckigen, geflickten Reisesack. Er nahm nichts mit, was er in Workuta angesammelt hatte. Nur was er aus Chelinograd mitgenommen hatte, betrachtete er als Gegenstände einer heilen Welt.
Marianka rannte herum, als habe man sie ins Hirn gestochen. Zuerst riß sie alles wieder aus dem Sack, was Pjetkin gepackt hatte, dann lief sie zu Oberst Baranurian und schrie ihn an, er sei ein Dünnscheißer, lasse sich von Moskau kastrieren und unternehme so wenig wie ein Frosch, dem man Luft in den Hintern geblasen hat. Wahrhaftig, das waren keine schönen Worte, und fraulich klangen sie schon gar nicht – aber Baranurian verstand ihren Schmerz und versuchte vergeblich, ihr zu erklären, daß ein Oberst und Lagerkommandant eine Null sei. Zum erstenmal erlebte Workuta eine Dussowa, die aus den Fugen geraten war. Alle Krankmeldungen am nächsten Morgen ließ sie einweisen, und das geschah so, wie sie früher ihr gehaßtes »Arbeitsfähig!« schrie: Sie rannte die Reihen entlang und brüllte: »Krank! Krank! Krank!«
Die Kolonne der Elenden blieb stehen, ungläubig, mit offenen Mündern, bis man sie mit Knüppeln ins Krankenhaus trieb, in genau die Richtung, von der man sie bisher weggejagt hatte. Das wiederholte sich jeden Morgen, bis die Zimmer überquollen und Pjetkin zum erstenmal selbst die Selektionen übernahm. Er stand einem Heer von Simulanten gegenüber, schüttelte traurig den Kopf und sagte laut:
»Brüder, das solltet ihr nicht tun. Ist das Kameradschaft? Den wirklich Kranken nehmt ihr den Platz weg –«
Wer hatte es jemals gewagt, die Dussowa aufzuhalten, wenn sie wie ein Vulkan ausbrach? Baranurian kapitulierte, seine logischen Argumente schrie Marianka zusammen. Sie umarmte Pjetkin nur noch, wenn er mit ihr redete, weinte laut, küßte ihn und schwor, sich das Leben zu nehmen. »Es gibt hundert Arten, sich umzubringen, ich werde die spektakulärste nehmen!« schrie sie mit einer so hellen Stimme, daß niemand sie mehr erkannte.
Pjetkin nahm die Drohungen nicht ernst. Anders Marko. Aber zum erstenmal seit seiner Freundschaft mit Pjetkin war er zum Zusehen verurteilt. Was jetzt im Krankenhaus geschah, war nicht mehr zu bremsen.
Marianka kämpfte wie gegen ein Todesurteil. Sie rief selbst in Moskau an, ließ sich hintereinander alle maßgebenden Genossen geben, ja sogar den 1. Sekretär des Innenministeriums beschwor sie, den Chef des KGB, einige hohe Funktionäre der Partei. Am Ende dieser Gesprächskette sagte ein wichtiger Mann aus dem Innenministerium grob: »Genossin Dussowa, halten Sie endlich den Mund! Das ist eine politische Entscheidung. Es gibt Dinge, die werden Sie nie verstehen. Wir haben es auch nicht nötig, sie Ihnen zu erklären. Wir können nur eins: Sie nach Paragraph 58 verurteilen.«
»Hängt mich an den Fahnenmast von Workuta!« schrie Marianka zurück und trommelte mit den Fäusten auf den Tisch. Der Mann in Moskau hörte es genau. »Wenn Pjetkin nach Deutschland abgeschoben wird, bin ich kein Mensch mehr.«
Sie bekam keine Antwort. Moskau hatte aufgelegt. »Diese Schweine …«, stammelte die Dussowa. »Diese elenden Schweine. Ich werde im Land herumziehen und es überall herausschreien. Bis in die letzte Hütte will ich es brüllen: In Rußland hat sich seit tausend Jahren nichts geändert … wir sind ein Volk der Sklaven!«
»Lieben Sie Pjetkin wirklich so sehr, daß Sie sich selbst vernichten können?« fragte
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