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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fragte der Major.
    »Ja.«
    »Wissen Sie, daß Sie eine Berühmtheit bei uns sind?«
    »Mag sein. Aber ich möchte nur ein Mensch sein.«
    Eine halbe Stunde später führten die Soldaten Marianka Jefimowna Dussowa aus dem Lager zu einem Lastwagen. Sie hatte kein Gepäck bei sich, trug ihren bodenlangen Lammfellmantel und ein Kopftuch um die langen, schwarzen Haare. Sie kletterte in den Lastwagen, hinten auf die Ladefläche, die Plane fiel herunter, und damit war eigentlich das Leben der Dussowa abgeschlossen. Schnell fuhr der Lastwagen davon, nach Workuta-Stadt, zum Bahnhof. Der Major des KGB folgte nach kurzer Zeit aus dem Krankenhaus und hatte die Mütze tief über sein verpflastertes Gesicht geschoben.
    In der Kommandantur fing ihn Baranurian ab. »Was geschieht mit Marianka Jefimowna?« fragte der Oberst steif. Er hatte einige Gläser Wodka getrunken und nun den Mut, laute Fragen zu stellen.
    »Ich weiß es nicht, Genosse Oberst.« Der Major grüßte lässig.
    »Was heißt das? Sie nehmen sie mit und wissen nichts?«
    »Es liegt lediglich ein Befehl der Kommandantur von Perm vor, und Perm hat Anweisungen aus Moskau. Kurztext: Die Ärztin Dussowa ist sofort aus dem Lagerdienst herauszuziehen …«
    Herausziehen … das war ein Wort, das Baranurian gar nicht gefiel. Versetzen hätte besser geklungen, beruhigender – aber herausziehen? Wer die Wortspiele der Russen kennt, ahnt, daß hier etwas Endgültiges geschehen war. »Sie haben Marianka abgeholt … ich brauche von Ihnen eine Empfangsbestätigung.«
    Der Major starrte den Oberst ungläubig an. »Ist sie ein Paket?«
    »Ja. Ihr habt es abgeholt und schickt es irgendwohin.«
    »Moskau wird Ihnen den Empfang bestätigen.« Die Stimme des Majors klang sarkastisch. »Ich kann Ihnen versprechen, daß wir per Einschreiben und Eilboten transportieren …«
    »Ein widerlicher Mensch«, sagte Oberst Baranurian, als der Major abfuhr. »Eine Figur zum Anspucken! Steht mein Wagen bereit?«
    »Ja.« Leutnant Zablinsky, der frische Ehemann, salutierte.
    Pjetkin stand am Fenster, als man Marianka abführte. Er konnte ihr nicht helfen, aber es zerdrückte ihn fast, daß ihr Untergang der letzte Ausbruch ihrer Liebe zu ihm war. Nehmen wir es vorweg: Man hat nie wieder etwas von Marianka Jefimowna Dussowa gehört. Jedenfalls tauchte sie in keinem Lager mehr auf, denn das hätte man erfahren.

Z WEIUNDVIERZIGSTES K APITEL
    Der Weggang Pjetkins aus Workuta war erschütternd. Trotz des Brüllens der Kapos, trotz Hammerschläge und Fußtritte füllte sich der Appellplatz mit den Innendienstlern, kamen die gehfähigen Kranken aus den Zimmern und stellten sich draußen dazu. Aus den Magazinen und Werkstätten quollen sie, aus Küche und Fleischerei, sogar eine Abordnung der Quarantänestation hatte es erreicht, daß sie sich abgesondert, aber auf den Platz stellen konnte.
    Als Pjetkin aus dem Haus trat, begleitet von Oberst Baranurian, nahmen alle die Mütze ab. Ein Spalier des Elends war's, aber auch ein Spalier unaussprechlichen Dankes.
    »Zerreißt es nicht dein Herz?« fragte Baranurian leise. »Sie sind jetzt verwaist. Du warst ihnen das Leben. Sie brauchten dich mehr als Essen und Trinken.«
    »Ich bin leer, völlig leer.« Pjetkin ging die Reihen entlang. Jeden sah er an, blickte in tränende Augen, auf zuckende Münder, auf zaghaft erhobene, grüßende Hände.
    »Gott segne dich«, hörte er mehrmals. »Gott sei mit dir.« Und er nickte, die Kehle war ihm zugeschnürt, er schleppte an seinem Reisebündel wie an einem Felsblock. Das ist das Fegefeuer, dachte er. Wenn ich hindurch bin, müßte ich saubergebrannt sein.
    Vor dem großen Tor stand in Paradeformation die Kompanie II und präsentierte. Leutnant Zablinsky hielt die Tür des Wagens auf. Pjetkin blickte sich mehrmals um … von Marko war nichts zu sehen, seit einer Stunde war er verschwunden. Der Bulle Jewronek hing aus dem Fenster der Fleischerei und grinste.
    »Steig ein –«, sagte Baranurian und stieß Pjetkin leicht in den Rücken. »Jetzt bist du aus dem Lager. Ein freier Mensch. Blick nicht mehr zurück –«
    Sie fuhren langsam über die noch vereiste Straße zum Stadtbahnhof, wo der Kurswagen nach Moskau wartete. Er wurde auf der langen Fahrt mehrmals umgekoppelt, denn eine direkte Verbindung nach Workuta gab es nicht. Pjetkin und Baranurian blieben auf dem Bahnsteig stehen, während ein Bahnbeamter das armselige Gepäck in den Wagen schaffte. Vor und hinter dem Kurswagen standen Güterwaggons … es gab wenig

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