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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lieferung aus der Schuhfabrik ›Gorkij‹ in Iwanowo, betrachtete sich in dem großen Spiegel im Badezimmer und kam sich fremd vor, so fremd wie sein Name Hans Kramer.
    Im Speisesaal des Hotels beachtete ihn niemand, wie er zuerst geglaubt hatte, er erhielt eine Speisekarte, suchte sich einen Serbischen Spieß mit Reis aus und eine halbe Flasche bulgarischen Roséwein, dachte dann plötzlich, daß er nur Rubel in der Tasche trug und sagte leise: »Die Rechnung bezahlt der Staatssicherheitsdienst.«
    Die Kellnerin, erschrocken, daß jemand diesen Namen so einfach und unbefangen aussprach, beugte sich vor und flüsterte zurück:
    »Wir wissen es …«, und rannte davon.
    Es wurde ein stiller Abend. In der Dunkelheit ging Pjetkin im Hotelpark spazieren, atmete den süßen Duft der Linden und verglich ihn mit den aufbrechenden Pappelknospen am Amur oder den Silberweiden von Kischinew. Später schlief er wirklich, aber er träumte von Dunja und Workuta; es war ein schrecklicher Traum, in dem er Dunja operieren mußte, ihr den Bauch aufschnitt und aus dem geöffneten Leib ein Gebilde herausholte, das wie Deutschland aussah.
    Am nächsten Morgen begann die offizielle Geburt des Hans Kramer. In dem Saal einer Dienststelle in Pankow saß Pjetkin einem kleinen Heer von Reportern gegenüber, Kameras klickten, Filmkameras surrten, Elektronenblitze trafen seine Augen. Ein Mann, der sich als Genosse Haberlandt vorgestellt hatte und ein merkwürdiges weiches Deutsch sprach – es war sächsisch, aber woher sollte Pjetkin das wissen? – hielt einen Vortrag und erzählte das Leben des kleinen ostpreußischen Jungen Hans Kramer, ein Leben, das nur aus der Zeit, in der wir leben, möglich wurde. Pjetkin selbst brauchte nicht viel zu reden, der Genosse Haberlandt schien in Worte verliebt zu sein und packte Säcke voll davon aus.
    »Ja«, sagte Pjetkin auf einige direkte Fragen. »Ich freue mich, in Deutschland zu sein. Ich bin Arzt und werde mein Wissen und Können in den Dienst aller Menschen stellen.« Worte, die ihm Haberlandt vorgesagt hatte, sie gehörten zu dem Image, das man aufbauen wollte. »Ich werde nach Lemgo fahren, um meine Eltern zu besuchen und vielleicht auch die erste Zeit bei ihnen wohnen. Ich weiß es noch nicht. Meine Rückkehr, der grandiose Aufbau Deutschlands, das alles schlägt über mir zusammen … Sie müssen das verstehen …«
    Man verstand es – das waren Worte, die ins Herz gingen, die man lesen und hören wollte. Der sympathische Junge aus Königsberg, der jetzt nach 22 Jahren zurückkommt. Überwältigt von der Neuzeit, die er in Sibirien nur am Rand miterlebte.
    »Gut so, vorzüglich«, sagte Haberlandt nach der Pressekonferenz. »Sie sind eine Naturbegabung, Doktor. Wie Sie das gesagt haben … meine Eltern in Lemgo. Sie wissen doch, was in Lemgo ist?«
    »Nein.« Pjetkins Rückenhaut zog sich zusammen. »Was ist in Lemgo.«
    »Man hat es Ihnen nicht gesagt?« Haberlandt hüstelte verlegen. »Ich dachte, die Genossen in Moskau … Also, lieber Doktor, Ihre verehrten Eltern sind vor kurzem gestorben.«
    Pjetkin schwieg. Er zeigte keine Regung … Haberlandt starrte ihn an wie auf den Kopf geschlagen. Warum reagiert er nicht, dachte er. Jeder Mensch mit Herz verändert sich doch bei der Nachricht vom Tode seiner Eltern. Der eine zuckt mit den Backenmuskeln, der andere wird blasser, es gibt welche, die weinen ungeniert, aber das verlangt ja keiner von Kramer … doch er steht nur da, starrt gegen die Wand und ist stumm.
    »Man hat mich in Moskau belogen«, sagte Pjetkin endlich.
    Ein Satz, der Haberlandt gar nicht gefiel. Moskau lügt nie! »Falsch informiert –«, regelte Haberlandt die Wortwahl.
    »Belogen. Der Genosse Starobin hat sagen lassen, daß meine Eltern in Lemgo leben.«
    »Ein Hörfehler sicherlich.«
    »Ich höre nicht falsch.« Pjetkin sah sich um. Die Reporter waren gegangen. Nur einige Beamte des Staatssicherheitsdienstes standen herum. »Wie heißen die nächsten Lügen?«
    »Genosse Kramer –« Haberlandt zog Pjetkin am Ärmel in eine Ecke. »Sie sind nervös, überreizt. Alles schlägt über Ihnen zusammen, das haben Sie eben ganz richtig gesagt. Überlegen Sie doch: Wir brauchen Lemgo doch, um Sie mit Anstand und großer menschlicher Geste in den Westen zu schleusen. Sie sind ein Musterbeispiel des Tauwetters. Raus aus Rußland, hinein nach Westdeutschland, bei den Belastungen, die Sie Moskau und uns allen auf den Rücken luden. Wenn das kein Beweis der Öffnung zur Solidarität

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