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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ich kann es noch gar nicht fassen …«
    »Was empfinden Sie jetzt, wenn Sie an Rußland denken?«
    »Eine Leere …«
    Das war nicht gelogen, aber in Westdeutschland verstand man das anders.
    Die Sensation war geboren. Ein verschlepptes ostpreußisches Kind kommt als sowjetischer Arzt zurück in seine Heimat. Zweiundzwanzig Jahre mußte er darum kämpfen. Welch ein unmenschliches System. Pjetkin lächelte traurig und schwieg.
    Die beiden Herren vom BND nahmen Pjetkin zwischen sich und führten ihn weg. Die Freiheit hatte begonnen. Freiheit …?
    *
    Das erste Verhör fand in einem Haus innerhalb der hohen Mauern des BND-Hauptquartiers in München-Pullach statt. Pjetkin wunderte sich. Er hatte sich unter einer Spionage-Zentrale etwas anderes vorgestellt, etwas Abenteuerlicheres, Erregenderes. Was er nun sah, waren Häusergruppen in einer schönen Gartenanlage, am Rande eines Waldes gelegen, zwar durch Mauern und geheime Sicherungen von der Außenwelt abgeschnitten, aber doch nichts anderes, als eine winzige eigene Stadt mit Plätzen, Spazierwegen, Bänken, Blumenrabatten und einer Stille, die angenehm war, denn es war nicht die ihm bekannte Stille des Todes.
    Man hatte Pjetkin ein Zimmer in diesem Haus, in dem man jetzt mit ihm sprach, gegeben. Ein einfaches Zimmer mit Bett und Waschbecken, Toilette und Dusche, er konnte auf eine Rasenfläche sehen und schlanke Tannen und gegenüber auf ein Bürohaus, hinter dessen Fenster Mädchen an Schreibmaschinen saßen und Bogen um Bogen volltippten. Nach seiner Ankunft in Pullach hatte er gegessen und geschlafen, ein freundlicher Mann hatte ihn zum Frühstück abgeholt, das sie in einem Raum mit sieben Tischen einnahmen, man hatte sich über Rußland unterhalten, aber nur über dessen Kultur, über Ballett und Oper, Sport und schließlich Medizin, und dann saß Pjetkin im Erdgeschoß seines Hauses einem älteren jovialen Herrn gegenüber, der sich vorstellte: »Von Bargent. Oberst a.D. Ich bin Abteilungsleiter in der Hauptabteilung Ost. Wenn Sie den Wunsch haben, sich mit mir zu unterhalten, Doktor … ich stehe Ihnen zur Verfügung.«
    »Unterhalten.« Pjetkin griff nach der Zigarette, die ihm von Bargent in der Schachtel entgegenhielt. Dann rauchte er ein paar Züge und blickte auf die Tischplatte. »Was erwarten Sie?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht erzählen Sie nur, was Sie bisher erlebt haben.«
    »22 Jahre?«
    »Ich habe für Sie immer Zeit, Doktor. Unbeschränkt Zeit. Wir können Ihr einmaliges Leben aufrollen … wenn Sie wollen.«
    »Es ist uninteressant. Ein Leben wie Millionen andere Leben. Das Leben eines Russen.«
    »Warum hat man Sie nach Westdeutschland ausreisen lassen?«
    Die erste konkrete Frage. Leicht hingeworfen, aber für Pjetkin ein Stein um den Hals.
    Soll ich die Wahrheit sagen, dachte er. Und Dunja? Was wird aus Dunja? Ich bin in dieses fremde Land gegangen, nicht weil ich mich innerlich mit ihm verbunden fühle, sondern um Dunja in einen Teil dieser Welt zu holen, wo wir zusammen leben können.
    »Ich wollte es«, antwortete er.
    Von Bargent nickte mehrmals. »Das haben schon viele gewollt, aber man ließ sie nicht heraus. Die Begründung allein, Sie wollten Ihre Eltern wiedersehen und bei ihnen bleiben, ist keine Begründung. Das wissen wir so gut wie die Sowjets. Man soll uns nicht für blöd halten. Wir haben die Pressekampagne in der DDR genau verfolgt … einen solchen Rummel macht man nicht, wenn ein einzelner Mann aus Rußland ausreisen darf. Was steckt dahinter?«
    »Dunja –«, sagte Pjetkin leise. Er rauchte hastig, in kleinen, schnellen Zügen.
    Von Bargent stand auf, holte aus einem Schrank Kognak und zwei Gläser, füllte sie und schob eines zu Pjetkin hinüber. »Eine Frau also.«
    »Ja. Sie ist Ärztin.«
    »Und weiter?«
    »Wir wollten heiraten, aber da sagte man mir plötzlich, ich sei gar kein Russe, sondern Deutscher. Da wollte ich nach Deutschland, als letzte Konsequenz.«
    »Und das akzeptierte man in Moskau?«
    »Sie sehen: Ich bin in Deutschland.«
    »Gewissermaßen als ein Tautropfen des angekündigten Tauwetters.« Oberst von Bargent, im Baltikum geboren, aufgewachsen auf einem Rittergut, russisch sprechend so gut wie Pjetkin, schüttelte den Kopf. »Was ist Ihre Aufgabe, Pjetkin?« fragte er im Leningrader Dialekt.
    Pjetkin zuckte zusammen und umklammerte die Tischkante. »Dunja. Nur Dunja. Ich will sie herüberholen.«
    »Das ist doch Blödsinn, Pjetkin.«
    »Nein!«
    »Nur in Romanen gelingt es, mitten aus Rußland

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