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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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langsam nach unten, der Widerschein der Scheinwerfer auf den Wachtürmen erhellte das Zimmer mit Dämmerlicht. Noch einmal das Klopfen, mit spitzem Knöchel.
    »Marko?« fragte Igor und schlug die Decke zurück. »Was ist los, zum Teufel? Laß einen armen Doktor schlafen!«
    »Machen Sie auf …« Die Stimme der Dussowa. Dunkel wie die Nacht, ein Hauch von seufzendem Wind. »Igor Antonowitsch, ich habe Ihnen etwas zu sagen. Machen Sie auf …«
    Das Licht von den Wachtürmen glitt weg, zur anderen Seite. Es wurde dunkel im Zimmer. Pjetkin erhob sich, knöpfte die Jacke zu und ging zur Tür.
    *
    Kaum hatte Igor die Tür geöffnet, schlüpfte die Dussowa ins Zimmer, drückte die Tür wieder zu und drehte den Schlüssel herum. Igor vernahm das heisere Knirschen im Schloß. Die völlige Dunkelheit hinderte ihn, etwas zu unternehmen … die Scheinwerfer auf den Wachtürmen beleuchteten jetzt den Todesstreifen an der langen Seitenmauer und glitten über die Lagergassen. Igor blieb steif neben der Tür stehen und wartete.
    »Wo sind Sie?« Eine Stimme wie Samt, in den man Metall gewickelt hat. Noch in der Verkleidung klirrte es.
    Igor schlich zwei Schritte von der Stimme weg nach hinten und räusperte sich. »Warten Sie, Marianka Jefimowna, ich mache Licht«, sagte er.
    »Lassen Sie das!« Ein Befehl war das, lauter, aber voll geheimnisvoller Schwingungen. »Ich kenne mich in dem Zimmer aus. Dort hinten steht Ihr Bett … ich gehe jetzt zu ihm und setze mich. Und Sie kommen nach.«
    Er hörte das Tappen von Füßen, leise klatschend über die Holzdielen. Nackte Füße. Jetzt zog ihm auch der Rosenduft in die Nase, das starke, süße Parfüm, das sie wie eine unsichtbare Wolke umwallte.
    Das Bett knarrte verhalten, ein Rascheln der Decke und des Kissens … sie saß. Oder lag sie? Igor blieb neben der Tür an der Wand stehen und wartete auf die Rückkehr des Scheinwerferlichtes. Beim Schwenken zum Haupttor drang es dann wieder durch die zugezogenen Gardinen.
    »Wo bleiben Sie, Igor Antonowitsch?« Ein Lachen, tief und gurrend wie bei einer satten Taube. »Haben Sie Angst, junges Adlerchen?«
    Das letzte Wort machte Igor vorsichtig. Langsam tastete er sich bis zu seinem Bett und stieß mit den Knien plötzlich gegen etwas Weiches. Er zuckte zurück, aber zwei gierige Hände griffen nach ihm und hielten ihn fest. Die Finger krallten sich in seine Hüfte und ließen ihn aufknirschen. Er spürte ihre langen Nägel durch die Haut dringen wie Nadelspitzen. Der Geisterfinger des Scheinwerfers kehrte zurück. Milde Dämmerung füllte das Zimmer, hob Konturen hervor, schälte Formen aus der Schwärze. Die Dussowa saß auf der Bettkante. Eine Art Schlafanzug trug sie, aus dunkelroter chinesischer Seide, bestickt mit Fabeltieren, deren goldene Augen schimmerten. Die lange Jacke mit den weiten Ärmeln war vorne offen. Weiß und schwer quollen ihre Brüste hervor. Das schwarze Haar hatte sie mit einem seidenen Schal zusammengebunden – jetzt lag ihr tatarisches Gesicht frei, eine Scheibe wilder Leidenschaft, auf den Kuppen der Backenknochen die Flecken der Erregung. Sie hatte den Kopf weit in den Nacken geworfen und starrte Igor an. Das Licht des Scheinwerfers wanderte langsam … nun war es fast hell im Zimmer. Pjetkin zuckte zusammen, als gerade in diesem Augenblick ein Schuß fiel. Der peitschende Laut zerriß die vollkommene Stille. Ihm folgte ein zweiter Schuß, ein dritter.
    Pjetkin zerrte an den Fingern der Dussowa, wollte zum Fenster laufen und sehen, was draußen auf dem Todesstreifen geschah.
    »Wenn er nur verwundet ist, muß ich ihm helfen!« rief er. »Lassen Sie mich los, Marianka!«
    »Wer ist verwundet?«
    »Man hat doch geschossen. Oder haben Sie das etwa nicht gehört?«
    »Nach Hasen jagen sie, die Idioten. Daran muß man sich gewöhnen. Zu langweilig ist's ihnen auf den Türmen, und wenn sie irgendeine Bewegung sehen, drücken sie Finger durch. Meistens sind es Hasen, die am Morgen an der Mauer liegen, manchmal auch ein Mensch …«
    »Und woher wollen Sie wissen, daß es jetzt kein Mensch ist?«
    »Die Sirene heult nicht.« Die Dussowa lächelte breit. Ihr herrliches Gesicht erschreckte ihn, ihre Augen lähmten ihn fast. »Bei einem Menschen gibt man Alarm. Warum, weiß ich nicht. Einen Hasen kann man braten, einen Menschen nicht. Man sollte bei Hasen Alarm geben.«
    »Warum sind Sie so schrecklich, Marianka?«
    »Bin ich das? Oh, mein Wölfchen, du bist jung, kräftig, gesund, ein Mann voll Saft … wie sollte ich

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