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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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widerlich, denn ich bin ein widerlicher Mensch. Aber eine Frau bin ich! Reicht das nicht?«
    Sie streckte die Arme nach Igor aus. Ihr Gesicht zerfloß in der Dämmerung und wurde weich und unbegreiflich zärtlich.
    »Bei allen Problemen sollten wir nicht den Kopf verlieren, Marianka Jefimowna«, sagte Igor. Er suchte einen Ausweg und wünschte sich, daß Marko einen schlechten Schlaf habe und jetzt komme und an die Tür klopfe. Um irgend etwas zu tun, ging er zur Tür und knipste das Licht an. Die Dussowa schloß nicht ihre Jacke, ungeniert lag sie weiter auf dem Bett und blinzelte nur in das plötzliche Licht.
    »Willst du flüchten, mein Schwänchen?« Sie hob die Hand, nachdem sie in die Jackentasche gegriffen hatte, und hielt den Schlüssel hoch. »Erobere ihn dir!«
    »Ich bin nicht in Kämpferlaune, Marianka Jefimowna.« Vom Eingang der langen Steinbarracke hörte man Schritte und Stimmen. Stiefel hallten durch den Gang. Türen klappten. Die Dussowa rührte sich nicht. Für Geräusche dieser Art war sie taub.
    Igor legte das Ohr an die Tür.
    »Sie haben doch einen Menschen erschossen.« Er fuhr zurück und streckte die Hand aus. »Geben Sie den Schlüssel her, Marianka! Ich muß den Mann untersuchen.«
    »Er ist tot. Sie können gut schießen, die Brüderchen auf den Türmen.«
    »Den Schlüssel, bitte.« Igors Stimme wurde hart. Er trat ans Bett und blickte auf die Dussowa hinunter. Sie ließ die Füße kreisen, ihr Lächeln war unergründlich und voll Gefahr. »Ich muß den Tod feststellen.«
    »Das macht schon Russlan. Er hat Erfahrung darin. Sie bringen den Toten zu Zimmer 20, werfen ihn in eine Ecke, und morgen früh wird er begraben. Wir haben ein eigenes Totengräberkommando im Lager. Warum willst du also aus dem Zimmer, Igoruschka? Ihm die Äuglein zudrücken und die Händchen falten? O Hölle, wie jung du bist, wie herrlich jung!« Sie warf den Schlüssel in die Luft, fing ihn auf, küßte ihn und legte ihn zwischen ihre Brüste.
    Auf dem Flur ertönte Russlans widerliche Stimme. »Paßt auf, ihr Eisentöpfe!« schrie er. »Tragt ihn in die Mitte! Soll ich morgen wieder die Wände schrubben? Und warum in den Schädel schießen, ihr Strohköpfe? Dort blutet es am meisten! Könnt ihr nicht ein wenig Rücksicht nehmen auf uns Arbeiter?«
    Igor streift seinen Schlafanzug ab, ohne die Dussowa dabei anzusehen. Ebenso schnell aber fuhr er in seine Hose, zog das Hemd und die Schuhe an. Er wunderte sich selbst, daß er sich dieser Lage gewachsen zeigte, daß ihn der Anblick Mariankas nicht um den Verstand brachte. Ein Liebhaber der Dussowa zu sein, hieß, in Himmel und Hölle gleichzeitig zu wohnen. Wem wird dieses Glück schon geboten?
    »Zwingen Sie mich nicht, die Tür einzuschlagen«, sagte Igor energisch und griff nach einem Stuhl. »Es ist eine leichte Tür, Genossin. Mit dem Stuhl zertrümmere ich die Füllung, und wenn ich mich dagegen werfe, bricht das Schloß heraus. Man wird das ungewöhnlich finden und Sie bei mir in dieser Situation im Bett entdecken.«
    Die Augen Mariankas verengen sich. Sie warf den Schlüssel neben das Bett, richtete sich auf und zog die Jacke über den Brüsten zu. Aber sie blieb im Bett sitzen und schwang nur die Beine auf den Boden.
    »Igor Antonowitsch«, sagte sie gefährlich ruhig. »Sie wissen nicht, was Sie jetzt tun. Überdenken Sie genau die Situation.«
    »Draußen haben sie einen Mann erschossen.«
    »Und drinnen wartet eine Frau auf Sie. Wofür entscheiden Sie sich?«
    »Ich bin Arzt – ist das eine Antwort?«
    »Ich bin krank … krank nach Liebe, Umarmung, Erfüllung, Seligkeit, Hingabe, Vergessen … Dort der Tod, hier das Leben … Was ist die Pflicht des Arztes? Was hast du gelernt? Tote beweinen … oder Kranke zu heilen? Igor, du bist dabei, den Himmel zu schwärzen …«
    »Verzeihen Sie, Marianka.« Igor stellte den Stuhl zurück auf den Boden. »Aber ich kann nicht anders.« Er dachte an Dunja, an ihre wehenden blonden Haare, ihre roten Lippen und den letzten Blick, als sie aus der Scheune ging. Ein Versprechen für das ganze Leben war das, eine stumme Hochzeit, ein Verflechten ihrer Seelen. Wie könnte ich sie betrügen, dachte er. Aus meinen Poren würde der Rosenduft Mariankas strömen und Dunja vergiften. Außerdem empfand er Angst … Angst vor der Wildheit der Dussowa, ihrem aufflammenden Körper, ihrer animalischen Stärke, der Fülle der Formen, die ihn wie ein saugender Sumpf aufnehmen und hinabziehen würde in die physische Vernichtung.
    »Ich

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