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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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wirfst, alter Mann«, erwiderte Roberto ungerührt und sah sich in dem fast leeren Lokal um. »Selbst an schlechten Tagen hängt hier zumindest ein Dutzend Kampftrinker herum, die sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich endlich einmal anständiges Zeug hinter die Binde zu kippen.«
    John Finch nickte langsam. Das erklärte die drei leeren Flaschen.
    Wenn er seinen Kopf bewegte, kippte die Bar nach rechts wie in einer scharf geflogenen Linkskurve. Er erinnerte sich mit einem Mal an die Tage im Hotel Continental-Savoy, damals, in den sechziger Jahren in Kairo, als er die Suite 101 gleich für einen ganzen Monat gemietet hatte. Ein Jahr später war er noch immer da gewesen, in derselben Suite, ganze neunzehn Jahre alt und hungrig nach Abenteuern. Damals war er für alle geflogen, Hauptsache er blieb nie zu lange am Boden. Die Erinnerung an die heißen, endlosen Nächte, bei Sakkara Bier und Whisky, in Gesellschaft reicher Engländer, vorsichtiger Deutscher und zwielichtiger Mädchen, denen die Gier aus den Augen leuchtete, begleitete ihn noch heute, im Dschungel des Amazonas.
    Nein, es war höchste Zeit zu gehen, zurück nach Nordafrika.
    Wäre nicht das »Baby« gewesen, er hätte seine Zelte schon vor Monaten abgebrochen und wäre verschwunden. Aber so … Das Babylon Café war eine der letzten Spelunken alten Zuschnitts zwischen Valparaíso und Beirut, die alle Fährnisse der Zeit überlebt hatten. In den zwanziger Jahren nach dem Vorbild der Oper in Manaus erbaut und nach vielen Jahrzehnten ein verstaubtes, heruntergekommenes Theater, war das Babylon in den fünfziger Jahren nach und nach in eine einzige Bar umgewandelt worden – erst einer der beiden Pausenräume, dann das gesamte Parkett und schließlich das komplette Haus.
    Das »Baby«, wie es bei den Eingeweihten und Stammgästen hieß, war zu einem schäbigen Etablissement verkommen, das sich an seine besten Zeiten nicht mehr erinnern konnte. Schon als Theater war es zu groß für São Gabriel gewesen, als Bar war es das nach wie vor. Das Babylon litt unter dem Einwohnerschwund entlang des Rio Negro wie alle anderen Geschäfte. Es erinnerte an einen halb toten, hungrigen Kraken, der mit letzter Kraft und sicherem Griff stets neue Opfer an die längste Bar des Rio Negro holte.
    Die Glücksritter waren schon lange weg, nur die zerstörten Illusionen waren hiergeblieben, verlangten nach einem Tribut aus billigem Fusel. Und der floss im Haus am Rio Negro in Strömen.
    Theater wurde im Babylon schon lange nicht mehr gespielt. Die Logen waren verwaist, und die roten Samttapeten verrotteten in der feuchten Luft des Amazonasgebiets. Einige Plakate der letzten Aufführungen, fleckig und verblasst, waren als Reminiszenz an alte Zeiten hängen geblieben. Die meisten der einst komfortabel gepolsterten Sitze waren vor langer Zeit an Tischen aufgereiht worden, in den ehemaligen Garderoben der Sänger und Schauspieler hatten sich Huren eingemietet, die für wenige Real ihre Dienste auf den durchgelegenen Matratzen feilboten. Meist standen sie, nur leicht bekleidet, in den schmalen Gängen herum, warteten auf Kundschaft und nippten an Cocktails.
    Seltsamerweise hatten alle Besitzer des »Babylon« die Bühne unangetastet gelassen. Man munkelte, dass die Kulissen von 1943 , dem Jahr der letzten Aufführung, noch immer hoch unter der Decke hingen. Gesehen hatte sie niemand. Nur ein völlig Verrückter hätte es gewagt, den komplizierten Mechanismus der Laufrollen und Hebewerke in Gang zu setzen und dabei Gefahr zu laufen, von dem schweren, rostigen Gestänge erschlagen zu werden.
    Über die gesamte Breite des Parketts, wo sich einst der Orchestergraben erstreckt hatte, stand nun die Bar. Riesig, überdimensioniert und respekteinflößend, war es ein Ungetüm aus Holz, das sich wie eine satte Schlange durch den Raum wand. Darüber, stets in Zigarettenrauch gehüllt, baumelten die Lampen mit den grünen Glasschirmen an ihren meterlangen Kabeln und standen nie still. Sie schwangen stets leicht im Luftzug, und die gelben Lichtinseln wanderten in ihrem ganz eigenen Rhythmus über die zerkratzte Platte aus schwarzem Marmor, der angeblich aus Italien mit dem Schiff bis zur Amazonas-Mündung und dann den Rio Negro hinauftransportiert worden war.
    John Finch registrierte dankbar, dass Roberto den letzten Rest Whisky in sein Glas kippte. Dann drehte er das Glas in seiner Hand, um den Laphroaig anzuwärmen. Er saß an seinem Stammplatz, ganz am linken Ende der Bar. Mitternacht

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