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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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schwarzen Felsens zusammengekauert, wartete er auf die Ankunft der Skorpione.
    Er würde sie nicht sehen können, aber vielleicht hören.
    Dann würde alles sehr schnell gehen.

1 Die Schatten der Vergangenheit

Ostermontag 2011 , AEG -Turbinenfabrik, Berlin-Moabit/Deutschland
    Die Huttenstraße in Berlin-Moabit war wie ausgestorben. Der Abend war hereingebrochen, und der kühle Nordwind hatte nach einigen fast schon sommerlichen Tagen die Terrassen der Cafés und Bars wieder geleert. Dunkle Wolken, aus denen von Zeit zu Zeit ein wenig Regen fiel, zogen über die Hauptstadt.
    »Bleib aufrecht, ich bin dann mal weg!«, winkte einer der beiden Portiers der Sicherheitsmannschaft seinem Kollegen zu, bevor er die schwere Glastür hinter sich zuzog und sich auf den Heimweg machte. Das Siemenswerk lag dunkel und verlassen da. Der Ostermontag war einer der wenigen Tage im Jahr, an denen in dem Werk und der Turbinenhalle daneben nicht gearbeitet wurde. 1909 von der AEG erbaut, war sie ein Denkmal des Fortschritts und der Größe des Unternehmens nach der Jahrhundertwende. Im Zweiten Weltkrieg war sie trotz zahlreicher Bombenangriffe auf Berlin nicht zerstört worden und existierte mehr als hundert Jahre später nach wie vor – eines der wenigen Industriebauwerke, die noch immer ihre ursprüngliche Bestimmung erfüllten. Siemens montierte nach wie vor Turbinen in der historischen Halle, nun allerdings moderne Gasturbinen.
    Der schlanke Mittfünfziger in seinem hellblauen Hemd und einer dunkelblauen Hose packte seine Tasche auf den Gepäckträger des Fahrrads und schielte misstrauisch zum Himmel. Dann zog er nach einigem Überlegen seufzend doch eine Plastikpelerine hervor, streifte sie über und schwang sich aufs Rad.
    Nachdem er die ersten Meter auf dem Gehsteig gefahren war, schwenkte er nach links und zögerte kurz. Kein Fußgänger war zu sehen, und auf der Fahrbahn der Berlichingenstraße war ebenfalls kein Verkehr. So schlängelte er sich zwischen den schräg geparkten Wagen durch und trat in die Pedale. Auf der Straße würde er schneller vorankommen. Bis nach Hause waren es immerhin 35  Minuten, und er wollte einen guten Teil der Strecke zurückgelegt haben, bevor es anfing zu regnen.
    Der dunkle Golf, der aus der Parklücke herausschoss, traf ihn völlig überraschend. Er versuchte im letzten Moment auszuweichen, aber es gelang ihm nicht. Ein stechender Schmerz durchzuckte sein linkes Bein, dann wurde er nach rechts abgedrängt, prallte erneut gegen den VW und hörte Glas und Knochen brechen, bevor er auf das Pflaster stürzte.
    Die beiden Männer, die aus dem Golf sprangen, trugen schwarze Tarnanzüge und sprachen kein Wort. Während der eine sich umsah und zufrieden feststellte, dass kein Mensch zu sehen war, beugte sich der andere zu dem Verletzten hinunter, der leise stöhnte, sein Bein hielt und gleichzeitig versuchte, sich unter dem verbeulten Rad herauszuwinden.
    Doch der Mann wollte dem Gestürzten nicht helfen. Blitzschnell zog er ein Messer aus der Tasche und schnitt dem Radfahrer mit einer geübten Handbewegung die Kehle durch. Als ein Schwall Blut auf das Straßenpflaster spritzte, trat er seelenruhig zwei Schritte zurück und wartete einen Augenblick. Dann riss er die Tasche vom Gepäckträger, öffnete sie, schaute hinein, suchte ein wenig und nickte schließlich befriedigt.
    Ohne sich umzublicken, zog er die Tür des Golfs auf, schleppte den Toten bis zum Wagen, hievte ihn auf den Beifahrersitz und deckte ihn mit einer vorbereiteten Decke zu. Danach löste der andere Mann die Handbremse und ließ den dunklen Wagen wieder lautlos in die Parklücke zurückrollen. Aus dem Kofferraum holte er schließlich ihre Ausrüstung, schloss die Türen des Wagens ab und warf die Schlüssel des gestohlenen Golfs durch das nächste Kanalgitter. Dem heftigen Rauschen nach zu urteilen, würde es nur wenige Minuten dauern, bis sie in die Spree gespült würden und auf Nimmerwiedersehen verschwanden.
    Die Berlichingenstraße war noch immer ruhig und menschenleer, niemand hatte den Vorfall bemerkt.
    Nur wenige Minuten später standen die Männer im toten Winkel des Eingangs zur Siemens AG und warteten, unsichtbar im Schatten der hohen Bäume. Es dauerte nicht lange, und ein Jogger bog pfeifend um die Ecke der Turbinenhalle, seinen Walkman im Ohr. Er lief an den beiden Männern vorbei und bog dann unvermittelt zur Pförtnerloge ab. Vor der schusssicheren Scheibe mit dem kleinen, runden Klappfenster blieb er stehen. Der

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