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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Nordafrika an. Da müsst ihr nach Charles-de-Gaulle, im Norden. Zwei Stunden Fahrzeit, und dann ist es fraglich, ob heute noch eine Maschine rausgeht und ihr einen Platz bekommt.«
    »Das heißt, wir stecken in der Klemme«, zog Salam eine ernüchternde Bilanz. »Die Verfolger sind näher, als wir dachten, und sie wissen, wohin wir geflogen sind. Wenn wir uns hier zu Marie zum Abendessen hinsetzen, dann serviert uns der englische Geheimdienst wahrscheinlich den Nachtisch.«
    Er deutete auf die Ju 52 . »Mit dem fliegenden Oldtimer kommen wir nirgends hin, wir haben kein Auto mehr und sind in der tiefsten Provinz gestrandet. Wenn wir uns offiziell Tickets nach Kairo kaufen, dann können wir gleich am Flughafen ein großes Plakat aufhängen: ›Sie sind
da
lang!‹ Der französische Geheimdienst DCRI wiederum wird nur allzu gerne den britischen Kollegen behilflich sein. Ich erinnere mich an die letzten Konferenzen der IPA , die geprägt waren von ›Miteinander‹ und ›Füreinander‹ und Schulterschluss. Das wird bei den Diensten nicht anders sein. Jetzt ist guter Rat teuer.«
    Schweigen senkte sich über die Runde. Vom Restaurant tönte Lachen herüber und der leise Klang von Akkordeonmusik. Irgendwo auf der Straße hupte ein Auto. Llewellyn schaute in den wolkenlosen Abendhimmel, wo ein Jet mit einem kerzengeraden weißen Strich das Blau teilte.
    »Frag doch Charly, ob du die 36 haben kannst.«
    Die Stimme des Mechanikers überraschte alle und schnitt durch die Ratlosigkeit. Amber sah ihn erst verblüfft an, dann grinste sie lausbübisch.
    »Er ist sowieso in dich verschossen«, ergänzte der Mechaniker lächelnd . »Wenn er sie dir nicht gibt, dann gibt er sie niemandem.«
    »Du denkst, dass er uns …? Gar keine schlechte Idee, Bastide.« Damit griff Amber zum Telefon, wählte eine Nummer in Paris und sah Finch an, während es am anderen Ende läutete. »Was meinst du, John? Zeigen wir den Jungs in Ägypten noch einmal, wie man fliegt?«

Librairie LaTour, Saint-Germain-des-Prés, Paris/Frankreich
    Die schmale Rue Perronet nahe des Boulevard Saint-Germain war bis auf ein paar Fußgänger, die ihre Einkäufe in Plastiktüten nach Hause trugen, leer. Es gab nur eine Handvoll Geschäfte in der Gasse, die auf ihrer ganzen Länge von gutbürgerlichen, mehrstöckigen Wohnhäusern flankiert wurde. Zwei Bistros hatten ihre Speisetafeln auf dem Gehsteig stehen, waren aber trotz der Abendzeit nur mäßig besucht.
    Die angegraute, ehemals dunkelrote Holzfassade des kleinen Ladens im Haus Nummer neun trug keine Aufschrift. Ein paar verstaubte Bücher stapelten sich in der Auslage, ein Plakat aus den fünfziger Jahren machte Werbung für ein Nizza, das es so schon lange nicht mehr gab. Wer durch die leicht milchige Schaufensterscheibe ins Innere schaute, sah außer Bücherregalen, einem kleinen Tisch, auf dem sich Zigarettenpäckchen stapelten, und einem abgewetzten Sessel nichts Interessantes.
    Das Geschäft, die Welt von Paul LaTour, gehörte seit mehr als achtzig Jahren zur Rue Perronet wie Pigalle zu Paris. Bereits sein Großvater Albert hatte die Buchhandlung in den Dreißigern gegründet, nachdem dessen Frau in jungen Jahren bei der Geburt ihres Sohnes gestorben war und er es zu Hause nicht mehr aushielt. Der damals noch junge alte LaTour hatte also seinen Job bei der Pariser Métro an den Nagel gehängt, sein gesamtes Geld zusammengekratzt und den kleinen Laden mit der dunkelroten Fassade gemietet. Alten Büchern hatte seit jeher seine Leidenschaft gehört, und so machte er sein Hobby zu seinem Beruf. Sein Sohn Bernard lernte zwischen den Regalen laufen, machte seine Hausaufgaben im Hinterzimmer und hatte dabei keinen weiten Weg zu den Lexika, die damals noch ganze Meter füllten.
    Es war nur selbstverständlich, dass die zweite Generation in die Fußstapfen des Vaters trat, und als Paul LaTour schließlich 1953 das Licht der Welt erblickte, war sein erstes Wort »livre«, Buch. In den späten siebziger Jahren, als die letzten Hippies entweder endgültig nach Indien umgezogen waren oder sich die Haare schnitten und von den verbotenen Substanzen auf die erlaubten umstiegen, hatte Paul das Geschäft von seinem Vater übernommen, der für den Rest seines Lebens auf Reisen gehen wollte. Er kam jedoch nur bis Südfrankreich, wo er einen verlassenen Bauernhof kaufte und sich fortan der Zucht von Schafen widmete.
    Nachdem er einen Moment lang überlegt hatte, den alten Laden zu renovieren, ließ Paul es dann doch bleiben. Er

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